Apokalyptik?

Daniel 7, 1-15

Ja, ich hab mich zu den Männern im Feuerofen und zu Daniel in der Löwengrube nicht geäußert. Es sind Geschichten meiner Kindheit. Und ich will sie einfach so stehen lassen. Sie erzählen von der Macht Gottes und dem festen Glauben dieser vier Männer.

Doch nun kommen die apokalyptischen Bilder und Visionen, mit denen wir üblicherweise in der Gemeinde nicht konfrontiert werden und deshalb auch erst einmal fassungslos davorstehen. Was für Bestien! Wer träumt so etwas? Was soll das?

Nun: In diesem Kapitel sieht einer in einer Vision Löwe, Bär, Panther und Drache? , auf jeden Fall immer grausamere Bestien, mit denen er die damals herrschenden Großmächte und ihren Verfall schildert. Den Höhepunkt zur Zeit der Herrschaft eines „kleineren Horns“ sieht Daniel in einer zweiten Vision, als der„Hochbetagte“ über die Tiere zu Gericht sitzt und ihnen die Herrschaft entzieht und sie „einem wie einem Menschensohn“ gibt.

Letztendlich ist es Geschichtsverarbeitung und Glaubensvergewisserung.

Welche Bilder haben wir für die Grausamkeiten unserer Geschichte?

Worte zum Sonntag

Im Boldernheft, das mir die Tageslosung näher bringt, lese ich, dass heute der Sonntag Jubilate ist. Als ich danach die Seiten der Sonntagszeitung, die mir trotz Abo-Kündigung weiter zur Verfügung steht, im tablet aufmache, ist mir nicht zum Jubeln zumute. Ich lese.

Genau, 35 Jahre ist es her, da geschah das Unglück in Tschernobyl. Die radioaktiv verseuchten Wolken regneten auch auf uns herab. Ich war im 5. Monat schwanger, wir wohnten gegenüber von einem Spielplatz und der wurde nun abgesperrt. Was für Zukunftsaussichten!

Die Schauspieler*innen, die bei den angeblich ironisch-satirisch-kritischen Videobotschaften zu Corona mitgemacht haben, merken – zu spät – dass sie ihr eigenes Leiden unter den Schließungen wegen der Pandemie ausgesprochen egozentrisch dargestellt haben. Brauchen sie etwa Drehbuchautor*innen und Regisseur*innen, um eine gelungene Darbietung vorzuweisen? Ich zweifel keinen Moment daran, dass sie alle leiden, als Gemeindepfarrerin habe ich auch gelitten, weil alles das, was mein Berufsleben ausmachte, nicht stattfinden konnte wegen Corona. Mir blieben Trauergespräche und Beerdigungen, Seelsorgegespräche auf der Straße oder am Telefon und Zoom-Gottesdienste etc. Aber genau dadurch erfuhr ich von dem viel größeren Leiden derjenigen, die an Covid 19 erkranken und sogar sterben, ich hörte von den Mühen der Pflegenden, die Schwersterkrankte versorgen, und längst mit ihren physischen und psychischen Kräften am Ende sind und trotzdem weitermachen und auch selbst erkranken und nach Genesung weitermachen und weitermachen… Ich begleitete Menschen, die trauern um Verstorbene, denen sie in den letzten Lebenswochen nicht nahe kommen durften oder nur eingeschränkt für sie sorgen konnten und nun allein auf dem Friedhof stehen und keiner nimmt sie in den Arm. Wie kann ich mein bisschen Leiden unter Corona-Bedingungen mit ihrem auch nur irgendwie gleichsetzen?! Ich will alles tun, damit es vorbeigeht, damit ein Ende der Pandemie in Sicht kommt. Damit Lehrende und Erziehende wieder ohne Angst ihren Dienst, den sie weiterhin tun können und müssen, mit Freude ausüben. Damit die Tätigen in den Lebensmittelgeschäften wieder aufatmen können….

Und dann lese ich von Herrn Stamp, dass die FDP gegen die Notbremse-Massnahmen ist. Wie konnte es nur geschehen, dass diese Wirtschafts-Partei in NRW mitregiert? Wie kann es nur sein, dass diese einzige Zeitung für Essen jeden Pups der FDP als wichtige Meldung weitergibt? Wie kann es nur sein, dass dieser von sich so überzeugte aber dann doch nichtregierungswillige ( „lieber nicht regieren als…“) Vielschwätzer Christian Lindner so viel Zustimmung erfährt. Die FDP will doch nur die Freiheit für eine ungezügelte Wirtschaft, ansonsten ist sie höchstens frei von Ideen für eine soziale Familienpolitik (Herr Stamp ist auch Familienminister) oder eine vorausschauende Schulpolitik ( auch da ist eine FDP Ministerin, Frau Gebauer, von heute auf morgen am Rumeiern).

Und in der Zeitung lande ich gleich beim nächsten Möchtegern-Wichtig-Mann. Auch der wird von der NRZ/WAZ heftigst befördert: Friedrich Merz, der ewig-Gestrige, der arme Mann, der unter den Frauen leidet und das Gendern verbieten würde. Wenn bei ihm das Mädchen zur „Kindin“ wird, dann ist der Junge doch sicher ein „Kinder“? Aber wer tatsächlich von „Hähnch*innenbrust“ schwadroniert, ist einfach zu wenig gebildet für diese Zeit. Da weiß ich dann sogar die Germanist*innen und Biolog*innen auf meiner Seite. Sprache verändert sich, gendern wird normal.

Soll ich noch was zu Markus Söder sagen? Warum sollte ich? Urlaub in Bayern würde die Mehrheit der Bevölkerung sicherlich einem Urlaub in Berlin vorziehen. Dann sollte doch Leben und Regieren in Bayern zum Jubeln sein.

Womit ich wieder bei Jubilate wäre. Ich mach jetzt Sonntag mit Gottesdienst anschauen.

Ja, und das hab ich getan. Gleich zwei Gottesdienste in zwei Gemeinden, in zwei Städten, in einer Stunde – youtube macht es möglich. Und ich hörte von Athen und den vielen Göttern, aus Gold, Silber, Ton und dachte an Daniel (s. Bibellese) und ich hörte von Paulus, dem Mann, der einen anderen Mann verkündete und dies nicht sehr erfolgreich, denn die Zuhörer (nicht gegendert, da er sich ausdrücklich an die Männer von Athen wandte) wenden sich von ihm ab und verschieben seine weiteren Ausführungen auf ein andernmal. Er war wütend, wegen all der Götzenverehrung. Ja, manchmal muss frau/man wütend werden ( beide predigenden Kollegen genderten im übrigen überhaupt nicht), aber in der Ruhe liegt die Kraft. ich verschiebe weitere Ausführungen auf morgen.

Gold, Silber, Bronze

Daniel 2, 24ff

And the winner is: ja, klar Nebukadnezar. Er hat das goldene Reich und alles, was nach ihm kommt, ist schlechter, weniger Wert und irgendwann geht alles zugrunde. Er hört das und lobt Daniels Gott und Daniel und macht ihn zum Regenten und auf dessen Wunsch seine Freunde auch. Eine schöne Geschichte. Ich hab mir den Spaß erlaubt und bei den fundamentalistischen und sektenartigen christlichen Strömungen nachgesehen, was sie zu diesem Traum zu sagen haben und klar, sie finden die entsprechenden Reiche in der Weltgeschichte und den kommenden Untergang. Bitte: das Buch Daniel erzählt Geschichten, nicht Geschichte. Nebukadnezar und damit auch wir lernen: Der Gott im Himmel hat die Macht, nicht die Könige dieser Welt‘.

Träume

Daniel 2, 1-23

Wann habe ich das Danielbuch einmal ganz durchgelesen? Zuletzt im Jahr der Bibel, irgendwann in meiner Überruhrer Pfarrzeit, mit einer Gruppe, die sich regelmäßig in diesem Jahr zum Austausch über das Gelesene traf.

Daniel – ich denke, ich habe auch schon einmal über einen Abschnitt gepredigt und natürlich habe ich die Geschichte von Daniel in der Löwengrube Kindern erzählt.

Aber seine Traumdeutungen – die erinnern mich doch sehr an Josef und seine Träume und Traumdeutungen bei seinen Brüder und für Bäcker, Mundschenk und Pharao.

Mit Träumen kann ich wenig anfangen – meine eigenen Träume erinnere ich selten und wenn, dann ist alles sehr schnell wieder weg. Ich denke, wir verarbeiten unsere Erlebnisse und Erinnerungen des Tages in unseren Träumen. Für die Zukunft messe ich ihnen keine Bedeutung zu. Ich glaube auch nicht an Horoskope, Sternzeichen etc pp. Und Tagträume bringen auch nicht weiter – höchstens weg von der Realität. Daniels Realität war die Bedrohung des Lebens. Und er träumte nicht weg – er wurde aktiv und betet zu Gott und bat um Hilfe.

Daniel

Daniel 1, 1-21

Nach dem drögen Brief jetzt eine detailreiche spannende Geschichte. Daniel und seine Freunde überleben in der Gefangenschaft. Legenden und Visionen werden uns in den kommenden Tagen begleiten, apokalyptische Bilder und Vorstellungen von gerechter Herrschaft. Nebukadnezar bringt die Tempelschätze aus Jerusalem in den Tempel nach Babylon und zerstört sie nicht. Er lässt die gefangenen jungen Männer besonders ausbilden und gut versorgen, damit sie ihm dienen können, statt sie umzubringen. Und Daniel kann als Gefangener sogar durchsetzen, dass er nicht essen muss, was wegen seiner religiösen Überzeugung verboten ist. Er will vegan und unalkoholisch leben und dabei gesund und stark bleiben. Mein gestriger Tag war auch vegan und unalkoholisch – ich habe hervorragend geschlafen und heute morgen nach einem Kaffee-und-Apfel-Frühstück einen langen Spaziergang gemacht: Maggihöhe, Haarzopf, Bredeney, Maggihöhe. Ruhestand kann so bewegt sein!

Gruß und Kuss

Kolosser 4, 7ff „Paulus“ schickt am Ende seines Briefes Grüße aus dem Gefängnis und unterschreibt eigenhändig.

Grüße – sie kommen so unverhofft, aus einer ganz anderen Welt.

„ich soll Sie grüßen von Pfarrer …“ Ach, das ist ja schön. „Ich hab ihm beim Sport erzählt, dass Sie jetzt uns gegenüber wohnen“ Wie geht es ihm? Wir sind uns früher oft bei einer nun schon länger verstorbenen Freundin begegnet. „Es geht ihm gut, immer neue Projekte. Er sprach von Ihnen als einem … Mädchen.“ Und ich fühlte mich jung und geschätzt und die Grüße taten sehr gut.

„Darf ich Sie interviewen – für mein Abi in Reli?“ Ja, gern, ich hab ja jetzt Zeit. „Meine Großmutter hat mir Ihren Namen genannt. Sie war bei Ihnen immer im Frauenabend in Überruhr.“ Lang, lang ist es her und ja, ich erinnere mich gern an die ungezwungenen Abende im Foyer des Friedrich Graeber Gemeindehauses. Getränke, Knabberkram, ein Frauen-Gesprächsthema und viele Frauen zwischen 30 und 85 Jahren. Es gibt ihn immer noch – das Gemeindehaus allerdings nicht mehr. Liebe Grüße an die Großmutter! Und herzlichen Dank für die guttuende Erinnerung.

Und beide Grüße verweisen mich auf eine besondere Frau aus der rheinischen Kirche: Sibylle Eisele – unvergessen.

Macht das Beste aus eurer Zeit!

Kolosser 4, 2-6

„Begegnet den Außenstehenden mit Weisheit.
Macht das Beste aus eurer Zeit!
6 Eure Rede sei stets freundlich
und mit einer Prise Salz gewürzt.
Denn ihr müsst wissen,
wie ihr jedem eine angemessene Antwort geben könnt.“

Genau so! Denen außerhalb der Gemeinde müssen wir Antworten geben können auf ihre Fragen nach dem Glauben. Und zwar kluge Antworten, freundlich, scharfsinnig, vielleicht auch witzig oder schlagfertig. Auf jeden Fall so, dass sie sich verstanden fühlen und wir verstanden werden. Übrigens: Dafür müssen wir Christ*innen bescheid wissen über unseren Glauben und auch in unserem Glauben gefestigt sein. Deshalb: beten und lernen, Bibel lesen, Gottesdienste besuchen, miteinander in der Gemeinde über Bibel und Glauben reden und die Relevanz für unseren Alltag und unsere Welt erkennen.

Haltung und Moral

Kolosser 3

Wie verhalten sich Menschen damals in Kolossae, wie heute in der globalisierten Welt, wie im digitalen Zeitalter, wie unter Corona-Bedingungen? „Paulus“ zeigt menschliches Fehlverhalten auf, weist auf Umkehrangebote Gottes hin und führt zeitentsprechende Verhaltensregeln an. Während manches überholt ist – Unterwürfigkeit von Sklaven und Frauen ist nicht gerade uptodate, auch wenn es die modernen Sklaven und die unterdrückenden Männer immer noch, sicher gegen Gottes Willen, gibt – klingt anderes direkt modern: „Väter, schüchtert eure Kinder nicht ein!“ Ich hätte mir gewünscht, dass noch deutlicher herauskommt, dass alle Menschen von Gott gleich geliebt werden. Mit gutem Willen ist dies allerdings auch dem Text zu entnehmen. Mir fallen dabei zwei Lektüretipps ein. ich lese gerade: Evi Hartmann, Wie viele Sklaven halten Sie? Über Globalisierung und Moral. aus dem Campus-Verlag. Und die neueste Ausgabe von zeitzeichen zum Thema Streit enthält unter anderem einen Beitrag von Johann Hinrich Claussen mit elf Geboten für eine würdige Streitkultur „Haltung braucht Übung“.

Seneca: Was das Gesetz nicht verbietet, verbietet der Anstand.

T.C.Boyle: Man kann der Gesellschaft nicht entkommen.

Christine Nöstlinger: Entweder erziehe ich jemanden zu einem guten Menschen. Oder zu einem, der für dieses Leben taugt. Beides unter einen Hut bringen kann man nicht.

Alle drei Zitate gefunden bei E. Hartmann.

Eitelkeiten

Kolosser 2, 16-23

Der letzte Satz aus dem 2. Kapitel fasst es noch einmal zusammen: „Das Ganze genießt zwar den Ruf, weise zu sein – kommt es doch fromm und demütig daher und schont den eigenen Körper nicht. Aber es ist nichts wert und befriedigt nur die menschliche Eitelkeit.“ Philosophische Strömungen in Kolossae seien es, die den Christen in die Quere kommen und versuchen, Vorschriften und Lebensregeln aufzustellen, die der Freiheit der Kinder Gottes widersprechen. So habe ich es gelernt. Welche Philosophie – wer weiß? Heute weiß das keine*r mehr zu sagen, alles längst vergangen und vergessen. Wer steht da heute mit Eitelkeiten im Weg? Beim Versuch, sie zu benennen merke ich, da hat jede*r so ihre/seine eigenen Vorstellungen. Wie wär’s einfach mit mehr Toleranz – auf beiden Seiten? Und weniger Eitelkeit, im Prediger Salomo ist „Eitel“ ein anderes wort für „nichtig“, „vergehend“. Ja dann … – Christus bleibt!

Quasimodo geniti

Kolosser 1, 24ff

Ja, es ist Sonntag, einer meiner Lieblingssonntage, auch wegen des schönen Namens. Er erinnert mich immer wieder an eine private Geschichte, die hier nicht Thema werden soll, und zudem ist es der Sonntag, an dem ich fast immer auf der Kanzel stand. Wie die neugeborenen Kinder – so unschuldig, so unwissend, so neugierig, so hilflos, so abhängig, ja, genau, abhängig von dem, was andere, vor allem Mutter und Vater, für uns aus Liebe tun. Denn wenn sich andere nicht liebevoll kümmern, können Neugeborene nicht überleben. Wie die Neugeborenen werden – laut Predigttext für den heutigen Sonntag aus Joh. 21 – auch die Jünger von Jesus umsorgt. Nicht so richtig wissend, was sie tun sollen, im Alltagstrott verkümmernd und dann auch noch erfolglos von der Arbeit zurückkehrend steht Jesus am Morgen vor ihnen da, mit dem aufgehenden Sonnenlicht. Macht es noch einmal, auch wenn es jetzt eigentlich nicht die übliche Zeit ist! Und sie haben Erfolg mit ihrem unkonventionellen Versuch. Doch ihr Fangerfolg ist gar nicht nötig, um sie selbst zu sättigen. Jesus empfängt sie mit Lagerfeuer, Brot und Fisch. – Siehe alles ist bereit. Schmecket und sehet, wie freundlich der Herr ist. – Ihr umfangreicher Fischfang – 153 Fische, wie die Anzahl der damals bekannten Fischarten – verweist sie auf ihr Menschenfischersein in aller Welt und holt sie damit auch noch aus ihrem Alltagstrott und ihrer Ziellosigkeit. Und damit bin ich im Kolosserbrief, in dem es darum geht, das Geheimnis Gottes an alle Menschen weiterzugeben. Das Geheimnis: Gott kümmert sich auch um dich, gibt dir die Möglichkeit zum erneuten Versuch. Jesus steht auch für dich im Licht des neuen Morgens.

Das ganze kann man übrigens auch auf das Thema Gemeinde und Kirche anwenden, nicht nur auf die/den Einzelne*n.