Meine Bodyguards

Auch in Peking will man als 19-jährige natürlich manchmal in eine Disco gehen. So bin ich am Montag, dem 11.4.2008 mit meinen Freunden aus dem Blenz-Cafe um 22.00 Uhr zum Banana Club gegangen.
Als wir dort ankamen, merkte ich schon, dass es vermutlich eine lange Nacht werden wird, da diese Disco riesengroß und einfach klasse ist. Dazu war es noch rappelvoll und wir wussten erstmal gar nicht, wo wir noch hin konnten. Doch dann sind wir mitten auf die Tanzfläche gekommen.
Nach 75 Minuten tanzen mit fünf Jungs, die jeden Annäherungsversuch eeines anderen abwehrten, brauchte ich mal ne Pause und bin zur Toilette gegangen. Doch nicht alleine, nein, alle fünf Jungs kamen mit bis vor die Tür und passten auf, dass mich keiner belästigte. Das ging dann auch den ganzen Abend so weiter. Ich konnte keinen unbewachten Schritt tun.
Um 1.30Uhr bin ich nach Hause gegangen. Aber das natürlich auch wieder nicht ohne Begleitung. – Unterricht und Arbeit am Dienstagmorgen kamen ja auch schon näher. –
Da drei Leute in der Nähe dieser Disco wohnen, haben wir die zuerst zu Hause abgeliefert. Die anderen zwei haben sich anschließend noch ihre Fahrräder geholt und wir sind gemeinsam erstmal bis zur Haupteinfahrt vom Centralpark gefahren. Weil ich nicht auf dem Gepäckträger sitzen wollte, besetzten die Jungen ein Rad und ich versuchte, mit dem zweiten voranzukommen. Niedriger Sattel und allein eine Vorderradbremse, die nur auf starken Druck reagierte, machten die Fahrt ausgesprochen schwierig. Obwohl ich nicht bis zum Towereingang begleitet wurde, bin ich unter dem Schutz der Security doch noch gut nach Hause gekommen.

qi zixingche – Fahrrad fahren

Ein langes Frühlingswochenende lag vor uns – die Chinesen zelebrierten ihren Totengedenktag passenderweise am Freitag, dem 4.4. ( die 4 ist die Unglückszahl, weil mit ihrer Silbe alle Worte im Zusammenhang mit dem Wort Tod beginnen.) Endlich war die richtige Zeit gekommen, unsere Fahrräder hervorzuholen. Im November, als sie mit allem anderen Seefrachtgut im Wohnzimmer auftauchten, hatten wir sie in den allgemeinen Fahrradkeller gebracht, gut abgeschlossen und uns ihren Standort gemerkt, denn der Keller war überfüllt mit Rädern aller Art. Nun, das wussten wir, würden wir drei verstaubte Räder aus einem unübersichtlichen Gewühl befreien müssen. Doch da, wo sie stehen sollten, waren sie nicht mehr. Nach langer Suche, im gebeugten Zustand – wegen der 160 cm hohen Decke – und trotzdem immer noch in der Gefahr, gegen irgendwelche noch tiefer hängenden Rohre zu stoßen, fanden wir zunächst Charlottes Rad. Verstaubt, aber wohlbehalten. Und bald danach entdeckten wir auch die anderen beiden, sogar nebeneinander stehend. Der freundliche Fahrradkellerwächter und die Dame, die ihm Gesellschaft leistete ( wie das einsilbige chinesische Wort bleibt auch der alleinarbeitende Chinese selten ohne Begleitung), halfen uns tatkräftig, tatsächlich auch unserer Räder habhaft zu werden.

Wir schoben die Räder in den hauseigenen Garten, holten Werkzeug, Luftpumpe und einen Putzeimer und machten Fahrradfrühjahrsputz – zum Erstaunen des chinesischen Personals. Denn, auch wenn die Chinesen ein Volk der Radfahrer sind/waren?, ihre Räder sehen erbärmlich aus. Sie sind nicht nur von schlechter Qualität, vor allem sind sie dreckig und zerbeult. Man fährt breitbeinig, weil der Sattel nicht verstellbar ist, ausgesprochen langsam, weil die Bremsen nicht funktionieren oder auch gar nicht vorhanden sind. Von Lampen, Katzenaugen, Klingeln etc. scheint man hier noch nie etwas gehört zu haben.

Endlich konnte es losgehen. Mit großem Mut schwangen wir uns auf die Räder. Ja, doch, es gibt Fahrradwege – zum Autos drauf parken, zu Fuss lustzuwandeln, zum gegen die Richtung fahren, als Bushalteplatz für gleich mehrere Busse, als Taxiwartestreifen…., und immer muss man sich vorbeimogeln und dabei gut aufpassen, dass nicht gerade in diesem Moment ein Fahrer meint, links rausfahren zu müssen. Denn auf Fahrradfahrer achtet ein stolzer Besitzer eines Motorfahrzeuges nicht.

Die ersten Ampeln konnten wir achtlos überfahren – die Signalfarben sind für Radfahrer uninteressant. Aber dann kamen wir an eine der ganz großen Straßenkreuzungen Pekings. Wir wühlten uns durch die Fußgänger hindurch, suchten nach der Fortsetzung des Radweges unter der Hochstraße (die Hauptstraße verläuft hier auf zwei Ebenen) und spähten sowohl „Grün“ wie auch rasende Rechtsabbieger aus. Die meisten chinesischen Radler waren längst unterwegs, als wir uns trauten, weiter zu fahren, und ein rechtsabbiegendes Taxi zwang mich dann doch noch vom Rad. Aber schon nach wenigen Metern hatte ich alle wieder ein- oder überholt, denn sie schleichen, die Chinesen. Besonders, als es nun zur Kanalbrücke auch noch etwas bergan ging – Peking ist sehr flach. Hinterm Kanal sollte es linksab gehen, zu unserem Ziel, einem großen Markt. Aber – nichts ging mehr. Klaus‘ Hinterrad war platt. Er hatte sich einen Nagel eingefangen.

So schoben wir die Räder zurück über die Brücke bis zu einem Sonnenschirm, unter dem einer der unzähligen Fahrradreparateure dieser Stadt seine Hilfe anbot. Er fand nicht nur das Nagelloch, sondern auch einige poröse Stellen im alten Fahrradschlauch, sodass er uns einen neuen Schlauch verkaufte und montierte. Mit den 50 RMB (5,- €) für seine Dienste war er sehr zufrieden und wir auch. Die Tour konnte weitergehen – ungebremst, denn die Bremse hatte er nicht wieder festmontiert. Nachdem auch das unterwegs noch selbst erledigt wurde, kam der Markt bald in Sicht. Und dort gab es sogar einen beaufsichtigten Fahrradparkplatz – Gebühr: 6 Cent! Nach einem ausgiebigen Marktbesuch – unbeschreiblich! sehr asiatisch- leisteten wir uns noch zwei große Eis ( 55 cent) und machten uns auf den Rückweg, der doch schon schneller und weniger rücksichtsvoll und manchmal auch auf der Gegenfahrbahn verlief.

Charlotte überlegt noch, ob sie wieder aufs Rad steigen will. Ich werde auf jeden Fall weiterhin fahren, aber bevorzugt allein, denn die anderen abbiegen und dabei Taxigeschosse auf sie zuflitzen sehen, ist das anstrengendste beim Fahrrad fahren in Peking.