Wir haben Feiertag! Draußen machen die Bauarbeiter Lärm wie üblich, Klaus war beim Bäcker und hat Croissants und Brötchen geholt, nachher wollen wir mal in den Perlenmarkt fahren und das dortige Händlerangebot betrachten, aber es ist Drachenbootfest und Charlotte und Klaus haben frei. Wie praktisch! Besonders für Charlotte, die sich ja gestern, bzw. heute das Spiel der Deutschen Nationalmannschaft ansehen wollte. Ob sie den Sieg bejubelt hat, weiß ich noch nicht. Sie schläft jedenfalls tief und fest. Es ist halt Europameisterschaft. Die fängt hier erst um Mitternacht an und die Deutschen spielten ab 2. 45 oder so in der Nacht. Aber die Chinesen sind ja Fußball begeistert und so gibt es die Spiele auch im (Starbucks ähnlichen) Cafe hier gegenüber auf Großleinwand.
Gerade klingelte das Telefon und es meldete sich die Assistentin meines Zahnarztes: „ich möchte Sie auf Ihren Termin aufmerksam machen: morgen früh, 11.15h.“ Das nenne ich Service! Nein, ich habe wirklich noch keinen Termin versäumt, komme immer überpünktlich, denn man weiß ja nie, wie die Verkehrssituation ist und ob man eine Viertel- oder eine Dreiviertelstunde bis zur Klinik braucht. Aber das Warten fällt ja auch nicht schwer. Ich kann Kaffee trinken und deutsche oder amerikanische Zeitschriften lesen und nette Menschen treffen… Eben Service! Der wird hier überall großgeschrieben: Im Lokal steht ein Kellner neben dir, sobald du eintrittst, sucht dir einen Platz, bringt dir die Karte und steht und berät und wartet, bis du ausgewählt hast. Bringt dir vielleicht sogar unaufgefordert schon mal ein Glas Wasser, weil es so warm ist ( heute sind 33° angesagt), guckt, während du isst, immer mal wieder nach, ob du einen neuen Teller für Abfall brauchst oder etwas leer gegessen ist und gießt gern nochmals unaufgefordert Wasser nach. Wenn du dann bezahlst, erwartet er kein Trinkgeld und verabschiedet dich aufs freundlichste. Eventuell sagt er sogar „tschüß“, weil er gemerkt hat, dass du aus der Servicewüste Deutschland stammst.
Überhaupt Deutschland – zur Zeit sorgen unsere deutschen Landsleute hier doch manchmal für große Erheiterung. „Ich bin auf Inspektionsreise“ stellte sich gestern ein älterer Herr im deutschen Gottesdienst vor. Er sei ehemaliger Pfarrer und jetzt Reiseleiter für Gemeindegruppen und suchte nach „Begegnungsmöglichkeiten“ für deutsche gemeindliche Reisegruppen. Am besten einen deutschen Pfarrer, der die Pekingführungen übernimmt und vielleicht noch einige nette Privatquartiere. Wohlgemerkt: er kannte hier niemanden! Die Gemeindevorsitzende konnte Ähnliches berichten: sie bekommt Anfragen wie: „Ich bin ein pensionierter christlich orientierter Lehrer aus … in Hessen und habe bereits Flug und Olympiatickets. Haben Sie in ihrer Gemeinde noch Privatquartiere frei. Damals in Melbourne konnte ich es mir sogar aus einer Auswahl aussuchen.“ Manchmal kann man den hiesigen Behörden richtig dankbar sein. Zur Zeit ist es uns nicht erlaubt, andere Menschen als Verwandte ersten Grades – mit Geburtsurkunde bezeugt – bei uns daheim aufzunehmen. Aber – wie gesagt, das hier ist eine Momentaufnahme – ich hoffe doch sehr, dass Freunde und Bekannte aus Deutschland demnächst bei uns zu Besuch sein dürfen, wenn sie wollen.