Ab nach Hause

Nach vier Jahren in China heißt es nun: Ab nach Hause.

Henny wurde auf die Pfarrstelle auf der Margarethenhoehe in Essen gewählt. Sie beginnt dort am 01.11.2011. Ich selbst bleibe noch etwas länger in Beijing, kehre aber voraussichtlich im März 2012 auch nach Deutschland zurück.

Lasst Ai Weiwei frei! / Free Ai Weiwei!

Am 3. April 2011 wurde der chinesische Künstler Ai Weiwei auf dem Pekinger Flughafen verhaftet.
Seitdem wird er an unbekanntem Ort festgehalten, ohne Kontakt zu seiner
Familie oder Anwälten.

Weitere Informationen dazu finden sich auf der website des Berliner Appels:

 Lasst Ai Weiwei frei! / Free Ai Weiwei!

Ich rufe alle Besucher dieses Blog auf, sich den Aufruf anzusehen und möglichst mit zu unterstützen.

Lasst Ai Weiwei frei! / Free Ai Weiwei!

Man gewöhnt sich dran?

Endlich, es scheint Frühling zu werden. Gestern haben wir unsere Fahrräder aufgepumpt und sind losgeradelt. Zunächst fuhren wir auf dem linken Fahrradweg, dann gegen den Einbahnstraßenverkehr, anschließend über eine Kreuzung bei roter Ampel und dann noch ein Stück auf dem Fußweg, da die Straße mit Autos verstopft war. Keiner von uns beiden fährt gern hinter dem anderen, denn dann muss man mit Schrecken die halsbrecherischen Aktionen des anderen ansehen. Aber das machen alle so und nur so kommt man voran. Wir sind heil angekommen, zunächst beim Schneider, anschließend in der Markthalle. Frische Erdbeeren, Mango, und Kiwi, Süßkartoffeln, Minitomaten und Rettich…, meine Fahrradtasche füllte sich ordentlich. Wir beschlossen, über den dritten Ring zurückzufahren, der Straßenzustand ist einfach besser und man hat etwas mehr Platz zum Ausweichen. Außerdem kann man den Autos zusehen, wie sie im Stau stecken auf der acht- spurigen Straße am Sonntagnachmittag um 3! Am besten war allerdings der Anblick der Straßendekoration: zahlreiche mit Kugeln und Sternen dekorierte Weihnachtsbäume und das am 6. März!

Als wir vor zwei Wochen am Ende unseres Australien-Urlaubs in Sydney im Supermarkt Lindt Osterhasen sahen, war das auch seltsam, so bei der sommerlichen Hitze draußen. Andererseits ist unsereins es ja aus Deutschland gewohnt, dass die Leckereien immer sehr rechtzeitig vor den Festtagen angeboten werden.

Überhaupt war es schwer, aus Australien zurückkehrend, sich hier wieder einzufinden. Als ich in Peking aus dem Flugzeug ausstieg, dachte ich, ich müsste ersticken, so erbärmlich schlecht war die Luft. Und sollte es auch noch mehrere Tage bleiben, bis die Wetterbehörde es dann wieder schneien ließ. Ja, sie haben wieder Silberjodid auf die Wolken geschossen. Der anschließende Schnee reinigte die Luft und feuchtete die Natur.

In Australien war es ruhig, die Autos hupten nicht, waren auch eher selten, alle 5-10 min mal ein Auto und Orte und Menschen gab es auch nur wenige. Und die unterhielten sich leise, führten auch keine geschrieenen Ferngespräche mit dem Handy, guckten, wo sie hinliefen, rülpsten und rotzten nicht in die Gegend. Ganz Australien hat so viele Einwohner wie allein Peking. Dafür ist die Natur in China leiser. Weder Meer noch Flüsse rauschen, es gibt keine zwitschernden Vögel am Morgen, aber auch keine Kakadus, die abends lärmen. Aber Peking hat auch seine Vorteile: die Geschäfte schließen nicht bereits um 17 Uhr und die Preise liegen viel niedriger. Insbesondere das Essen und die Getränke sind wieder mehr als erschwinglich.

Apropos essen und trinken: auf einmal fällt mir auch wieder auf, wie selbstverständlich hier jeder Angestellte an seinem Arbeitsplatz zu Mittag isst, egal ob Bekleidungsgeschäft oder Reiseagentur. Ganz extrem war das am Samstag, als wir in einem Brillenkaufhaus eine Brille aussuchten – mehr als hundert Brillengeschäfte auf einem Stockwerk – und mitgenommen wurden in den Raum, in dem die Brillen zusammengesetzt werden. Hier stand auch ein Öfchen mit verschiedenen Töpfen, in denen jemand ohne jeglichen Schutz Gläser einfärbte und daneben hockten mehrere Angestellte und schaufelten ihr Mittagessen aus der Schale in den Mund. Das sah alles sehr appetitlich und gesund aus. Mahlzeit! Nach einer Stunde hatte ich übrigens zwei neue fertige Brillen für zusammen 600 RMB, das sind 65 Euro. Und auch hier stand noch ein Weihnachtsbaum in voller Pracht. Da merkt man, dass die Chinesen Weihnachtsbäume einfach für eine nette Dekoration halten. Und da die anderen Bäume ja noch alle ohne Laub dastehen, bleibt alles noch ein bischen erhalten. Auch die Nikolausgesichter machen sich noch gut neben den Hasen, die zum chinesischen Neujahrsfest aufgehängt worden sind. Eine nette Deko zu Ostern. An manches kann ich mich einfach nicht gewöhnen.

Heiligabend im Kreis der Familie

So aufregend wie in diesem Jahr war es Heiligabend schon länger nicht mehr. Dabei war es hier in Peking ein ganz normaler Tag, nur in Deutschland nicht. An diesem Tag sollte die Dreiviertelfamilienzusammenführung zum Weihnachtsfest starten, sprich, unsere Jüngste sollte nach Peking fliegen, aber ach, in Deutschland herrschte seid Tagen das Schneechaos und genau jetzt hatte es auch das Ruhrgebiet und Düsseldorf voll erfasst. Frühmorgens fiel Schnee herunter und die S-Bahn aus. Aber es gelang der sehr frühzeitig gestarteten Tochter trotzdem, auf dem Hauptbahnhof einen Zug nach Düsseldorf Airport zu bekommen. Dort angekommen musste sie feststellen, dass erst mal gar nichts ging, doch die Schließung sollte nur bis 11.00 Uhr dauern. Es bestand also Hoffnung. Und siehe da, sie bekam ihr Bordkarte und saß am Gate. Aber dann, wir unterhielten uns gerade per skype mit der älteren Tochter über die offensichtlich gelingende Reise, simste die jüngere, alles vorbei, Flug deleted. Schnell ergriff die große ihr Handy, rief die kleine Schwester an und auf einmal war die Familie insgesamt miteinander im Gespräch. So hatten wir die Familie in trauter Gemeinschaft am Heiligabend zusammen und sprachen einander Hoffnung zu. Nicht unerwähnt bleiben sollte der Erfolg der ganzen Aktion: der Flug nach Amsterdam wurde umgebucht, fand aber rechtzeitig statt, so dass sie den Flieger nach Peking erreichte, der von einem schneefreien Amsterdamer Flughafen aus zwar verspätet abflog, in Peking aber sogar pünktlich landete, mitsamt allem Gepäck. Auch hier keine Spur von Schnee, bis heute nicht. Dafür aber ist es bitter kalt und die Töchter sind alle beide wieder im nasskalten Deutschland.

Chinakohl

Meine Finger riechen immer noch nach Rosenkohl, dabei sind schon Stunden vergangen, seit ich ihn geputzt und anschließend auch gegessen habe. Natürlich habe ich mir seitdem auch mehrfach die Hände gewaschen. Aber der Kohl schmeckte auch etwas streng. Als ich ihn gestern auf dem Gemüsemarkt sah, hab ich mich noch gefragt, ob sich Chinesen eigentlich mit Rosenkohl auskennen. Diese langgezogene Markthalle jenseits von Sanlitun hat es uns besonders angetan. Hier ist einfach alles zu finden und manches ist im Angebot, das ich gar nicht kenne. Da hält mir ein Gemüsehändler ein Kohlgewächs entgegen, das zu kurz geratener Grünkohl sein könnte, vielleicht ist es aber auch ein sehr dunkler, krauser Wintersalat. Mit seiner Aussage über das Gewächs kann ich nichts anfangen. Wir entscheiden uns für Rosenkohl, Lauch und Tomaten. Am Nüsse und Gewürze Stand frage ich nach gemahlenen Mandeln. Geblätterte gibt es und der Händler meint, ich solle die Mandelblättchen einfach zerrollen mit einer Küchenrolle. Gute Idee. Zimtstangen und Sternanis nehme ich auch noch mit. Die Weihnachtsbäckerei kann beginnen. Der Stand Nr. 8 gehört der Obstfrau unseres Vertrauens. Sie hat da etwas liegen, was wir nicht kennen. Dunkelauberginefarben wie Zwetschgen, ähnliche Größe, innendrin sind weiße Spalten wie beim Knoblauch, geschmacklich zwischen Banane und Apfelsine. Wie es heißt, konnte ich nicht verstehen, aber ich hab mal ein paar gekauft, sehr lecker! Und jetzt habe ich auch nochmal im Internet gesucht und gefunden: Mangostin. Kann man die in Deutschland kaufen? Aber Vorsicht: wahrscheinlich teuer und von außen kann man nicht erkennen, ob es innen drin gut ist. Auch die ganz kleinen Mandarinen sind wieder da, die man hier mitsamt Schale isst. Muss ich mir leider wegen Allergie verkneifen. Und dann liegen da so merkwürdige blassgrüne Früchte. Sie sehen aus wie kleine Melonen. Aber jetzt haben wir auch noch Mangos und Äpfel und Feigen gekauft und eine Riesenpampelmuse, die eigentlich auch einen anderen Namen trägt. Nächsten Samstag probier ich die grünen Dinger aus. Auch die Löwenköpfchen und die Sternfrüchte sehen zur Zeit gut aus und am besten sind die kleinen Esskastanien, die in den Westbergen Pekings geerntet werden. Da kann ich an den zahlreichen Frischfleisch und -Fisch Ständen einfach vorbeigehen, die es natürlich auch in dieser Halle gibt, genau zwischen Obst und Gemüse. Heutzutage kriegt man hier einfach alles. Vor einigen Jahrzehnten aber gab es im Winter in Peking nur Chinakohl und Lauch.

Friedens-Nobel-Preis

Ich reg mich so auf, ich muss es erst mal loswerden:She said most nations do not support the Nobel Committee’s „wrong decision“. Any move by the committee will not change the fact that „Liu committed crimes“, she said.

More than 100 nations and international organizations have expressed their support for China’s stance, she stressed.

The majority of countries keep their distance from the Nobel Committee and many have declined to attend Friday’s ceremony, she said.

This shows that „justice lies in the heart of the people“, she added.

She ist Foreign Ministry spokeswoman Jiang Yu.

Die Zeitung mit dieser dreisten Lüge liegt momentan kostenlos bei uns im Haus aus. ich würde sie nicht einmal nehmen, wenn ich fürs Mitnehmen Geld bekäme.

Gleichzeitig bleibt CNN heute außer Gefecht gesetzt, und BBC wird regelmäßig schwarz, sobald ein Bericht aus Oslo beginnt. Nur unser deutscher Sender in deutscher Sprache macht den Chinesen offensichtlich kein Problem.

Wie sehr fürchten die chinesischen Machthaber eigentlich ihr eigenes Volk, wenn sie es belügen und von internationalen Nachrichten fern halten. Soll doch jeder selbst entscheiden, was er für richtig oder falsch hält. Aber Wahrheiten verdrehen, indem man auf die geringe Zahl der Länder, die ja alle selber fürchten, dass bei ihnen auch Menschenrechtler auf die Straße gehen, noch so viele Organisationen draufpackt, damit man 100 Nichtkommer findet, ist der falsche Weg, demokratische Fortschritte im Land international anerkannt zu bekommen.

 

Ting bu dong – Ich verstehe nicht

Es ist ein Uhr mittags. Irgendwo im Haus wird unentwegt gehämmert. Aber ich hätte jetzt doch gerne ein wenig Mittagsruhe. So rufe ich unten in der Lobby an: Können Sie bitte etwas unternehmen. Im Haus wird gearbeitet. Ich höre jemanden seit längerem hämmern. – Ist es ihr Nachbar? – Nein, irgendwo unter oder über mir, kein Nachbar. – Ich werde nachfragen, ob Handwerker im Haus sind. Ich melde mich wieder – Das wäre eigentlich nicht nötig, die einkehrende Ruhe signalisiert mir, dass er fündig geworden ist. Doch dann klingelt es. Eine Frauenstimme fragt, ob ich chinesisch spreche. Wie immer in diesen Fällen, verneine ich es. „Oh! Wir haben keinen Hammer.“ – Ok, antworte ich und frage mich, wer hier nichts versteht.

Irgendwie komme ich immer mal wieder zu der Einsicht, dass Chinesen und Deutsche sich nicht verstehen. Nach dem Mondfest ist für Chinesen Winter. Überall sieht man die Menschen nun in Wintermänteln, mit Stiefeln etc bekleidet. Ich denke noch, dass vielleicht mancher seine neuen Sachen vorzeigen möchte. Oder die Sommerkleider mussten dringend in die Reinigung und bei der Gelegenheit hat man seinen Wintermantel wieder abgeholt, der den lieben langen Sommer lang in der Reinigung gut verwahrt war. Doch dann machen wir einen Fahrradausflug an den Westsee, weil das Wetter so schön ist und die Temperaturen mild, sitzen auf einem Mäuerchen am See und schauen den Anglern zu, die Windjacken haben wir ausgezogen, da kommt eine chinesische Familie vorbei und die Frau trägt nicht nur einen Wintermantel, sondern auch Wollschal, Wollmütze und Handschuhe. Wetten, dass sie unter ihre Hose noch eine lange Unterhose gezogen hat, alternativ die Schlafanzughose anbehalten hat und auch unter ihrem Pullover noch ein Pullover zu finden ist. Es ist Winter, auch wenn die Außentemperatur noch über 20 Grad beträgt. Meine Chinesischlehrerin schimpft richtig mit mir, als sie bemerkt, dass ich nur Söckchen unter der Jeans trage, viel zu kalt! Und kein Unterhemd, unmöglich! Wir befinden uns in unserer Wohnung. Die Temperatur beträgt 25 Grad, wir kriegen es einfach nicht kälter, trotz abgestellter Heizungen. Da werde ich bestimmt keine warmen Sachen tragen, solange ich in den eigenen Wänden bin. Aber immerhin soll ich die richtigen Dinge essen, meint sie. Viel Lauch und Chinakohl, regelmäßig ein paarEsskastanien – aber nur ein paar. Und viel warmes Wasser trinken. Kaltes Wasser ist so ungesund. Katja, junge Mutter, hat mir gerade erzählt, dass ihre Ayi, Haushaltshilfe, gemeint hat, das gestillte Baby habe Verdauungsprobleme, weil sie das Wasser zu kalt trinke.

Chinesen und Deutsche – ting bu dong

Produktpiraterie fuer gesellschaftliche Entwicklung

Sicher fragen Sie sich auch manchmal, warum in China alle möglichen Produkte gefälscht werden. Hier bekommt man praktisch alles auch als Fake: DVDs, Uhren, Bekleidung, selbst Handys oder den neuen iPad von Apple.

Gestern habe ich nun gelesen, warum das so ist: „China hält Produktkopien nötig für gesellschaftliche Entwicklung“.

Sie denken ich mach Witze – weit gefehlt. Das ist eine Schlagzeile auf der Website: german.china.org.cn .

Chinas stellvertretender Minister für Industrie und Informationstechnologie Yang Xueshan geht in seiner Argumentation noch weiter:

„Es sei wichtig, auch das geistige Eigentum der Hersteller von Imitaten zu schützen und die Interessen der chinesischen Endverbraucher zu berücksichtigen, sagte Yang auf einer Pressekonferenz am Dienstag. Schutz und Nutzung solch geistigen Eigentums trügen zum Fortschritt der chinesischen Gesellschaft bei, resümierte er.“

„Andererseits, betonte er, sollten sie zur Herstellung von Produktkopien ermutigt werden, da auch diese Innovationspotenzial mit sich brächten.“

Kommentare dazu möchte ich mir ersparen.  Den ganzen Artikel finden Sie hier

Neue Fotos: Olympic Forrest Park

Der Olympic Forrest Park ist ein Parkgelände in der Nähe des Olympiageländes. Wir haben einen der freien Tag nach dem Nationalfeiertag am 01.10. genutzt, um uns diesen Park einmal anzusehen. Anschließend gab es dann noch einen Bummel über das Olympiagelände.

Einige der Fotos finden sich hier:  Olympic Forrest Park

Auf der Seidenstraße

Mitten im August machen wir uns auf den Weg in Chinas Wüsten.  Wir sind diesmal: Klaus, Friederike, Tina und ich. Nach dreieinhalb Stunden Flug erreichen wir Ürümqi, am Rande der Wüste Gobi, ganz weit im Nordwesten Chinas. Unser Reiseleiter empfängt uns und führt uns erstmal ins Museum, zum Kennenlernen der Geschichte und der Volksgruppen dieser Region, die offensichtlich nicht sehr chinesisch ist. Aber im Museum gibt es einen kleinen Stoffstreifen, auf dem tatsächlich etwas in chinesischen Schriftzeichen geschrieben steht, und der schon sehr alt ist und hier gefunden wurde. Damit steht fest: altes chinesisches Herrschaftsgebiet. Neben diesem liegt allerdings etwas in griechischer Schrift, auch hier gefunden. Altes griechisches Herrschaftsgebiet? Mich wundert es nicht, dass an einer alten Handelsstraße sehr unterschiedliche Fundstücke zu entdecken sind. Territoriale Besitzansprüche sind damit aber wohl nicht zu begründen. Kein Wunder, dass die muslimischen Uiguren und Tadschiken, die hier zu Hause sind, sich gegen die chinesische Herrschaft auflehnen. So sind viele Soldaten und Polizisten unterwegs, alles Han-Chinesen. Und wir lernen: wer etwas werden will oder studieren möchte, muss in die Schule gehen, in der als erste Sprache Chinesisch gelehrt wird. Dabei sprechen die Menschen hier eher eine Abart des Türkischen, aber mit Uigurisch als erster Schulsprache kann man höchstens Bauer oder Handwerker werden. Damit gehört man in China zur Unterschicht – das ist nicht meine Wortwahl, sondern die ganz offizielle. Ich möchte nicht vergessen zu erwähnen, dass wir im Museum auch noch eine besondere Attraktion zu sehen bekommen: Wüstenmumien, recht gut erhalten. Sie können durchaus mit Ötzi mithalten, den ich vor einigen Jahren in Bozen betrachten durfte. Ich weiß überhaupt nicht, warum diese Menschen nicht in ihren Gräbern bleiben durften. Von Totenruhe kann in gut besuchten Museen keine Rede sein. Anschliessend geht es zu einem sehr fleischbetonten Abendessen – trotz Ramadan – , etwas arabisch angehaucht, und danach dürfen wir wieder ein Flugzeug besteigen und fliegen eine Stunde nach Süden, um in Kashgar zu landen.               Kashgar ist im Gegensatz zu dem sehr modern wirkenden Ürümqi eine alte Stadt, auch wenn die Behörden gerade versuchen, die alten Häuser zu zerstören, um die Straßen breiter und die Altstadt überschaubarer zu gestalten. Sie sprechen von Feuergefahr und Hygienemaßnahmen und zerstören wunderschöne Gebäude und altes Kulturgut. In Kashgar besuchen wir die Grabstätte von Abakh Khoja, den die Uiguren als Sayid, einen Nachfahren des Propheten Mohammed verehren und die größte Moschee im Lande, sehen zu wie am Ramadan-Abend das Fastenbrechen stattfindet, essen im Anwesen einer sicherlich etwas wohlhabenderen Familie unter Weinranken Hammelfleischspieß, Joghurt, Fladenbrot, Melonen etc., doch die größten Attraktionen dieser Stadt sind 1. der sonntägliche Viehmarkt, zu dem Tausende von Bauern und Händlern anreisen, zu Fuß, per Eselskarren, Kleinlaster, Großtransporter, um ihre Schafe, Ziegen, Esel, Rinder, Yaks etc. zu verkaufen, 2. der Basar, auf dem alles, einfach alles zu erwerben ist und der am Sonntag von den Frauen heimgesucht wird, die mit ihren Männern in die Stadt gekommen sind, 3. die Altstadt, in der wir den Handwerkern zusehen können, wie sie ihre Kupferkessel verzieren, Holz biegen, Instrumente herstellen oder Zähne ziehen.  Doch, doch, Zahnbehandlung sieht hier nach Handwerk aus, nicht einmal Kunsthandwerk, erst recht nicht Heilkunst. Man erlernt es in zwei Monaten. Wir haben den Eindruck in einer arabischen Welt zu sein, aber nicht mehr in China. Kein Wunder – in Kashgar sind über 80 % der Bevölkerung Tadschiken und Uiguren. Wer es nachempfinden will, sollte sich den Film Drachenläufer ansehen, der in Kashgar gedreht wurde, auch wenn die Handlung eigentlich in Afghanistan spielt. Die afghanische Grenze ist ja auch nicht weit. Und auch Pakistan ist nicht weit, das gerade durch Regenfluten unterzugehen droht. Auch diesseits des Pamir gab es starke Regenfälle und so ist bis zum Abend vor unserer Abfahrt Richtung Taschkurgan nicht klar, ob die Straßen wieder befahrbar sein wird.           Doch wir fahren los, neben der Straße schlängelt sich ein Flüsschen durchs Gelände. Je weiter wir kommen, desto schmaler wird das Tal, desto reißender der Fluss. Und dann ist es soweit: die Straße ist weggebrochen, wir fahren durchs Gelände, unter uns „Sandkastensand“, neben uns Lehmhäuser, vor und hinter uns schwer beladene Lastwagen. Wir kommen durch, auch an der nächsten Bruchstelle und auch über die überschwemm-ten Straßenabschnitte. So erreichen wir den Karakulsee, zu Füßen des über 7000 m hohen schneebedeckten Berges Muztagata. Unsere jungen Damen üben sich hier im Kamelreiten, wir bewundern die tolle Landschaft. Der zu überwindende Pass ist über 4000 m über dem Meeresspiegel gelegen, was den zahlreichen Murmeltieren offensichtlich nichts ausmacht. Bevor wir Taschkurgan erreichen müssen wir noch eine Passkontrolle durchlaufen, da wir uns im unüberschaubaren Grenzgebiet des Karakorum Highway befinden. Endlich erreichen wir die letzte chinesische Stadt vor der tadschikischen Grenze. Taschkurgan bietet neben einem sehr netten Hotel mit bestem Essen einige Besonderheiten: zum einen gibt es den steinernen Turm, oder die „steinerne Stadt“, eine riesige Ruine, von der man nicht genau weiß, ob sie Burg oder Tempel war. Bereits Ptolemäus hat sie vor 2000 jahren erwähnt, als letzten bekannten Ort auf der Seidenstraße – von Rom aus gesehen. Und auch für Chinesen soll es der letzte bekannte Ort der Seidenstraße gewesen sein. Hier am Ende der Welt findet man zudem ein wunderbares Grasland, also eine von einem Flüsschen durchschlängelte Wiesenlandschaft, getupft mit Zelten und belebt mit Ziegen, Schafen, Yaks und Kamelen. Und vielen Soldaten. Wir erleben sie allerdings nur singend. Auf unserem Rückweg wird das Wetter besser, die Straßenverhältnisse verschlechtern sich und Abdul erwägt, uns einen zeitlich gesperrten Straßenabschnitt zu Fuß passieren zu lassen und einen zweiten Wagen zur Abholung auf die andere Seite zu bestellen. Doch dann ist die Passage wieder möglich und wir kommen doch noch pünktlich in Kashgar an, um weiterzufliegen.                     Unsere nächsten Ziele sind Tuyu Gully und Turpan. Auf schnurgerader Strecke fahren wir an unzähligen Windrädern und Riesen-LKW vorbei nach Turpan, einer Oasenstadt in der Nähe der Wüste Gobi. Hier wachsen vor allem Weintrauben und Melonen bewässert durch ein einmaliges System von aus Brunnen gespeisten unterirdischen Kanälen – Karez genannt. In speziellen Trockenhäusern hängen die Trauben und werden zu Rosinen. Auch der hiesige Wein schmeckt prima. Turpan ist übrigens der dritt-tiefste Ort auf unserer Erde, 155 m unter dem Meeresspiegel. Rundherum ist steinige Wüste, die heißeste Gegend Chinas, und wir fahren an den „Flammenden Bergen“ vorbei nach Tuyu Gully, einem sehr alten, aus Lehmbauten bestehenden noch bewohntem Dorf, in dessen Nähe es sehr viele Höhlen gibt, die einst mit Buddhastatuen und ähnlichem gefüllt waren. Einige, besonders deutsche, Forscher haben diese Figuren gestohlen und nach Berlin gebracht, wo sie während des 2. Weltkrieges entweder zerstört oder geraubt wurden. Wir passieren bizarre Felsformationen, gelangen in die Sandwüste und erleben den Sonnenuntergang auf einer riesigen Düne.                Jiaohe, eine Ruinenstadt aus dem 2. Jhd vor Chr., die wir am nächsten Tag besuchen, zeugt von der frühen Besiedlung dieses Gebietes, der Bedeutung ehemaliger Königreiche und den Fähigkeiten seiner Bewohner. Es ist unglaublich heiß, aber unser Reiseleiter meint, es sei noch kühl, nur 37 Grad im Schatten. Es könnten auch um die 50 sein. Das Emin Minarett in Turpan ist ein weiteres ganz besonderes Bauwerk. Hier in der Moschee fallen uns die Überwachungskameras auf. So können die Behörden mithören und zudem überprüfen, dass niemand unter 18 Jahren in die Moschee kommt. Keine Religionsgemeinschaft darf in China Kinder religiös erziehen oder unterrichten. Für Buddhisten in Yunnan scheint es Ausnahmen zu geben. Vor unserer Abfahrt essen wir noch in einem Kellerrestaurant – schön kühl! – frisch gemachte tolle Nudeln, Fleischspieße und supersüße Melonen. Nach einer langen Autofahrt erreichen wir Ürümqi-Airport 5 Minuten vor Eincheckschluss. Aber wie alle Flüge zuvor, wird auch dieses Flugzeug mit deutlicher Verspätung starten. Noch eine Sicherheitsmaßnahme? An diesem Nachmittag gab es einmal mehr einen Anschlag in der Nähe von Ürümqi, der mehreren Uiguren das Leben kostete. Wir haben allerdings nur Polizei gesehen. Die alte Seidenstraße ist faszinierend, die politische Lage dort längst nicht gelöst.  (Dieses Schreibsystem erkennt keine Absatzzeichen, daher die merkwürdigen Lücken)