Worte zum Sonntag

Im Boldernheft, das mir die Tageslosung näher bringt, lese ich, dass heute der Sonntag Jubilate ist. Als ich danach die Seiten der Sonntagszeitung, die mir trotz Abo-Kündigung weiter zur Verfügung steht, im tablet aufmache, ist mir nicht zum Jubeln zumute. Ich lese.

Genau, 35 Jahre ist es her, da geschah das Unglück in Tschernobyl. Die radioaktiv verseuchten Wolken regneten auch auf uns herab. Ich war im 5. Monat schwanger, wir wohnten gegenüber von einem Spielplatz und der wurde nun abgesperrt. Was für Zukunftsaussichten!

Die Schauspieler*innen, die bei den angeblich ironisch-satirisch-kritischen Videobotschaften zu Corona mitgemacht haben, merken – zu spät – dass sie ihr eigenes Leiden unter den Schließungen wegen der Pandemie ausgesprochen egozentrisch dargestellt haben. Brauchen sie etwa Drehbuchautor*innen und Regisseur*innen, um eine gelungene Darbietung vorzuweisen? Ich zweifel keinen Moment daran, dass sie alle leiden, als Gemeindepfarrerin habe ich auch gelitten, weil alles das, was mein Berufsleben ausmachte, nicht stattfinden konnte wegen Corona. Mir blieben Trauergespräche und Beerdigungen, Seelsorgegespräche auf der Straße oder am Telefon und Zoom-Gottesdienste etc. Aber genau dadurch erfuhr ich von dem viel größeren Leiden derjenigen, die an Covid 19 erkranken und sogar sterben, ich hörte von den Mühen der Pflegenden, die Schwersterkrankte versorgen, und längst mit ihren physischen und psychischen Kräften am Ende sind und trotzdem weitermachen und auch selbst erkranken und nach Genesung weitermachen und weitermachen… Ich begleitete Menschen, die trauern um Verstorbene, denen sie in den letzten Lebenswochen nicht nahe kommen durften oder nur eingeschränkt für sie sorgen konnten und nun allein auf dem Friedhof stehen und keiner nimmt sie in den Arm. Wie kann ich mein bisschen Leiden unter Corona-Bedingungen mit ihrem auch nur irgendwie gleichsetzen?! Ich will alles tun, damit es vorbeigeht, damit ein Ende der Pandemie in Sicht kommt. Damit Lehrende und Erziehende wieder ohne Angst ihren Dienst, den sie weiterhin tun können und müssen, mit Freude ausüben. Damit die Tätigen in den Lebensmittelgeschäften wieder aufatmen können….

Und dann lese ich von Herrn Stamp, dass die FDP gegen die Notbremse-Massnahmen ist. Wie konnte es nur geschehen, dass diese Wirtschafts-Partei in NRW mitregiert? Wie kann es nur sein, dass diese einzige Zeitung für Essen jeden Pups der FDP als wichtige Meldung weitergibt? Wie kann es nur sein, dass dieser von sich so überzeugte aber dann doch nichtregierungswillige ( „lieber nicht regieren als…“) Vielschwätzer Christian Lindner so viel Zustimmung erfährt. Die FDP will doch nur die Freiheit für eine ungezügelte Wirtschaft, ansonsten ist sie höchstens frei von Ideen für eine soziale Familienpolitik (Herr Stamp ist auch Familienminister) oder eine vorausschauende Schulpolitik ( auch da ist eine FDP Ministerin, Frau Gebauer, von heute auf morgen am Rumeiern).

Und in der Zeitung lande ich gleich beim nächsten Möchtegern-Wichtig-Mann. Auch der wird von der NRZ/WAZ heftigst befördert: Friedrich Merz, der ewig-Gestrige, der arme Mann, der unter den Frauen leidet und das Gendern verbieten würde. Wenn bei ihm das Mädchen zur „Kindin“ wird, dann ist der Junge doch sicher ein „Kinder“? Aber wer tatsächlich von „Hähnch*innenbrust“ schwadroniert, ist einfach zu wenig gebildet für diese Zeit. Da weiß ich dann sogar die Germanist*innen und Biolog*innen auf meiner Seite. Sprache verändert sich, gendern wird normal.

Soll ich noch was zu Markus Söder sagen? Warum sollte ich? Urlaub in Bayern würde die Mehrheit der Bevölkerung sicherlich einem Urlaub in Berlin vorziehen. Dann sollte doch Leben und Regieren in Bayern zum Jubeln sein.

Womit ich wieder bei Jubilate wäre. Ich mach jetzt Sonntag mit Gottesdienst anschauen.

Ja, und das hab ich getan. Gleich zwei Gottesdienste in zwei Gemeinden, in zwei Städten, in einer Stunde – youtube macht es möglich. Und ich hörte von Athen und den vielen Göttern, aus Gold, Silber, Ton und dachte an Daniel (s. Bibellese) und ich hörte von Paulus, dem Mann, der einen anderen Mann verkündete und dies nicht sehr erfolgreich, denn die Zuhörer (nicht gegendert, da er sich ausdrücklich an die Männer von Athen wandte) wenden sich von ihm ab und verschieben seine weiteren Ausführungen auf ein andernmal. Er war wütend, wegen all der Götzenverehrung. Ja, manchmal muss frau/man wütend werden ( beide predigenden Kollegen genderten im übrigen überhaupt nicht), aber in der Ruhe liegt die Kraft. ich verschiebe weitere Ausführungen auf morgen.