Das neue Jahr fängt schlecht an

Es ist Montag, der 9. Februar, für Chinesen ist es der erste Monat, 15. Tag, das heißt, es ist Laternenfest, der Abschlußtag der Neujahrsfeierlichkeiten. Noch einmal wird gefeiert mit großen Feuerwerken, leckeren Kuchen und so weiter: Danach werden die Familienmitglieder wieder an die Orte zurückkehren, wo sie Arbeit gefunden haben –  falls sie nicht zu den neuen 20 Millionen Arbeitslosen gehören, die die Weltwirtschaftskrise bisher in China zum großen Arbeitslosenheer hinzugefügt  hat. Wir stehen am Fenster und bestaunen ein riesiges Feuerwerk, das hinter den Nachbarhäusern hervorblitzt.  „Das da nie was passiert!“ meint Klaus und ich erwidere: „Vielleicht erfahren wir es nur nicht.“ Klaus, Charlotte und Wen Wu beschließen, es sich aus der Nähe anzusehen. Kurze Zeit später klingelt das Telefon. Ich kann kaum verstehen, was Klaus sagt, da gerade vor unserem Haus ein Prachtfeuerwerk in die Luft geht. „Komm schnell mit deiner Kamera, hier brennt das kleinere der CCTV-Häuser.“  Ein Feuerwerkskörper hatte das Dach in Brand gesetzt und – obwohl da oben Menschen gewesen waren, hatte keiner gelöscht und so fraß sich das Feuer weiter. Als ich mich nähere, beginnt gerade die Frontseite zu brennen. Die Fassadengestaltung fand ich schon die ganze Zeit über hässlich, sie hatte was von Wellblechdach, aber dass sie auch noch so leicht entflammbar war, konnte ich mir kaum vorstellen. Nach kurzer Zeit steht das ganze Gebäude, über 150 m hoch, in Flammen. Ab und zu hören und sehen wir heftige Explosionen. Alles war wohl fertig ausgestattet, das Luxushotel, die Tonstudios, die Kinosäle …Und nun geht alles in Flammen und Rauchwolken auf.  Während ich filme, kommen immer mehr Menschen möglichst nahe ran, auf der dritten Ringstraße, direkt vor dem Gebäudekomplex, geht der Verkehr weiterhin langsam vorwärts, öffentliche Busse halten an und spucken Passagiere aus. Die Polizei guckt zu. Nach einer Stunde sehen wir, wie sich die ersten Feuerwehrwagen langsam nähern, denn die haben hier keine eingebaute Vorfahrt und die Straßen sind wie immer dicht. Windböen lassen ab und an die Funken fliegen und fachen riesige Flammen an. Etwas weiter wird gerade wieder ein Feuerwerk gezündet. Am nächsten Tag lesen wir, dass Angestellte des CCTV (Nationales Chinesisches Fernsehen) selbst das illegale Höhenfeuerwerk auf ihrem Gelände haben abbrennen lassen, ein toter Feuerwehrmann, sechs Verletzte, und bestimmt 100 Millionen Euro Sachschaden sind entstanden. Chinesen halten das für einen ganz schlechten Jahresanfang.

Ein paar Fotos des angebrannten Gebäudes finden sich hier

Niu-year

Niu – das Rind – grüßt von allen Plakatwänden, Fenstern, Tassen. Das Jahr des Rindes hat angefangen und es knallt und zischt seit fünf Tagen durch ganz Peking und sicherlich auch durch den nicht gerade kleinen Rest von China. Angeblich wurde noch mehr Feuerwerk verkauft als im vergangenen Jahr.

Wir finden es diesmal aber ruhiger als im vergangenen Jahr, als die Ratte begrüßt wurde. Immerhin war nach drei Uhr morgens erst mal für fünf Stunden Ruhe, bevor am Montagmorgen heftiges Trommeln, eher Paukenschlagen, im Verein mit lautem Feuerwerk mich weckte. Vor dem Kerry-Hotel gab es um 8.30 Uhr für die werten Gäste und die sich nicht wehren könnenden Anlieger einen traditionellen Drachentanz mit allem Budenzauber, den China zu Neujahr zu bieten hat. Auch die Zugfahrkartenverkäufe erreichten ungeahnte Höhen. Alle Welt verreist nach Hause. Nicht nur die Wanderarbeiter, auch die Angestellten der vielen Geschäfte und die Köche und Bedienungen der Restaurants. Peking wirkt wie ausgestorben. Die hier unbekannte Sonntagsruhe zieht gleich für eine ganze Woche ein. Das hieß natürlich auch, dass wir uns im Vorfeld für eine Woche mit allem ausrüsten mussten, was man für das leibliche Wohl braucht.

Wir haben uns schlau gemacht, was man denn unternehmen kann in dieser leeren Stadt. Die Straßen waren tatsächlich leer. Wäre es nicht so kalt, könnte man endlich mal nach Herzenslust Fahrrad fahren.

Also besuchen wir per U-Bahn, auch die Taxifahrer machen Heimaturlaub, den Lama-Tempel. Doch die völlig überfüllte U-Bahn fährt durch unsere Haltestation durch. Eins weiter steigen wir aus, um festzustellen, dass offensichtlich ganz Peking unsere Pläne teilt. Das Viertel rund um die Tempelanlage ist abgespeert und in einer langen Schlange warten die Menschen auf Durchlass, jeder mit Räucherstäben, Blumen und Obst beladen, um sie für ein gutes neues Niu-Jahr zu opfern. Wir ändern unseren Plan und ziehen in einem großen Bogen um das Tempelviertel herum zum Ditan (Erd-Tempel) Park. Menschenmassen wälzen sich durch diesen Park, in den wir aber immerhin hineingelangen. Aber schön ist etwas anderes. Eine Art Kirchweih/Kirmes wird hier gefeiert und alle machen mit. Als wir gehen wird auch hier abgesperrt und der Zugang reguliert. Es wurde auch allerhöchste Zeit.

Am nächsten Tag erholen wir uns – „mine Beene!!!“. Doch dann geht es weiter in den Tempel des Himmels (Tian Tan). Hier gibt es den nachgestellten traditionellen Einzug des chinesischen Kaisers zur Neujahrstempel – zeremonie im Tian Tan zu sehen. Unzählige Besucher schauen sich mit uns diesen „Zoch“ an, offensichtlich viele aus der Provinz, denn wir sind, selbst eifrig fotografierend, ein beliebtes Fotomotiv.

Es ist Donnerstag. Es wird weiterhin geknallt und gefeuerwerkelt und wir besuchen die nächste Tempelanlage, gleich bei uns um die Ecke. Schon vor dem Eingang bekommen wir viel zu sehen. Eine ausgesprochen fitte Rentnertruppe gibt ein zwischen Pekingoper und Dorftheater angesiedeltes Possenstück zum Besten. Es ist sehr unterhaltsam und findet begeisterte Zuschauer. In der Tempelanlage sind die verschiedensten traditionellen Jahrmarktsattraktionen zu bewundern: Mäusezirkus und Knetfigurenbastler, Zuckergußfigurenbläser, chinesisches Kasperltheater, aber auch Akrobaten, Wurfspiele, Fressbuden und mittendrin stehen die Räucheraltäre und werden Räucherstäbe und Obst und Geld geopfert. Die Menschen schreiben ihre Wünsche auf rote Holzplättchen, die an die Wegegitter gehängt werden, und beten vor bestimmten Götterfiguren, die wir nicht einordnen können. Denn in diesem Tempel gibt es Hunderte von Göttern, für wirklich jeden Zweck einen.

Mittlerweile ist Freitag. Heute Morgen war es draußen so laut, dass ich dachte, sie sprengen ein paar Hochhäuser in die Luft. Aber nein, am fünften Tag muss man es doch so richtig krachen lassen, denn danach ist erstmal Ruhe angesagt, bis zum 15. Tag des neuen Jahres. Da wird nochmals die Sau rausgelassen. Aber diesmal wissen wir, was uns erwartet.

Asien – ganz anders

Aber wirklich ganz anders als China war Japan. Für deutsche Ohren mag es komisch klingen: ein verlängertes Wochenende verbrachte ich in Japan, genauer gesagt in Osaka, Kyoto und Nara. Klaus hatte dort eine Woche lang beruflich zu tun und ich flog ihm nach. In Beijing hatte der Winter gerade beschlossen, jetzt wird es eiskalt und ich wusste auf dem superneuen Flughafen überhaupt nicht, wie schnell ich noch zittern sollte vor lauter Kälte. In Osaka waren die Temperaturen herbstlich und der Flughafen wohlbeheizt. Allerdings lag er auf einer Insel im Meer und die Anfahrt nach Osaka war lang. Mit dem Bus für 12 Euro eine Stunde Fahrt auf der linken Straßenseite, dann Direktausstieg vorm Hotel. Vor dem Einsteigen in den Bus hatte mir ein freundlicher Mann mit einem höflichen Diener meinen Koffer abgenommen, der Fahrer des Busses hatte mich mit Verbeugung begrüßt. Die Kofferträger verabschiedeten den Bus mit Verbeugung. Der Koffer wurde mir mit Verbeugung wieder überreicht. Wo man auch hinkommt, jeder verbeugt sich. Besonders auffällig ist das im Supermarkt, in den großen Malls. Jede Verkäuferin, die man beiläufig passiert, verbeugt sich tief.

Im Hotelzimmerbad befindet sich natürlich eine japanische Toilette: Beheizte Klobrille, automatische Spülung während des Urinablassens, integrierte Dusche und Fön für den unteren Körperteil, damit alles schön sauber wird – ganz ohne Toilettenpapier. Es fehlte nur noch der Zeitungshalter mit automatischer Umblättermechanik – kommt bestimmt noch! Der Ausblick aus dem Hotelzimmerfenster ist gewaltig: ein Häusermeer ohne Ende, der Flugzeugausblick beim Rückflug bestätigt diesen Eindruck. Kaum etwas Grünes ist zu sehen, dafür aber ein shintoistischer Schrein auf dem Hochhausdach nebenan – bizarr, neben den Abluftrohren!

Ein erster Bummel macht deutlich: Japan ist voll – viel voller an Menschen als China. Aber die Menschen sind rücksichtsvoller: man wird nicht umgelaufen oder angerempelt. Die Leute riechen nicht, spucken nicht, sind gut und geschmackvoll gekleidet – und ich verstehe mal wieder kein Wort! Lesen kann ich auch nichts. Osaka ist so voll, dass man auf einen Platz im Restaurant warten muss, auch wenn zwanzig Lokale nebeneinander und hunderte in nächster Umgebung,  – unter und überirdisch – zu finden sind. Und mit dir warten Massen. Dabei ist hier alles auch noch fürchterlich teuer. Die Dose Bier im Supermarkt nebenan kostet 2,50 Euro. Man geht besser ausländisch als japanisch essen, dann ist es eher erschwinglich und man kann besser anhand der Bilder auf der Speisekarte raten, was man aufgetischt bekommen wird.

Am nächsten Morgen donnert und blitzt es während wir ausführlich frühstücken. Der Zug soll uns nach Kyoto bringen. Am Bahnhof finden wir einen bei unserem Anblick völlig aufgeregten Schalterbeamten, der uns Karten verkauft und ungefragt Gleis und Abfahrtszeiten aufschreibt. Bahnhof und Zug sind unglaublich sauber, die Straßen Osakas ebefalls und Kyoto wird es auch ohne die Dauerregendusche, die wir morgens erleben, bereits gewesen sein.

Als wir den Kaiserpalast erreichen, hört der Regen auf und wir können an einer englischsprachigen Führung teilnehmen. Allerdings müssen wir unsere Pässe vorlegen und reservieren. Noch im vergangenen Jahrhundert war Kyoto Kaisersitz. Japaner dürfen nur einmal im Jahr den Palast besichtigen, Ausländer viel häufiger. Wir nutzen die Besichtigung der Außenanlagen für eine ausführliche Fotosession, die Innenräume werden uns nur per Film vorgeführt. Allerdings scheucht uns ein Aufseher, der hinter der Besichtigungsgruppe hergeht, voran. Am Ende lässt sich sogar die Sonne blicken und wir beschließen, auch noch die goldene Pagode zu besichtigen. Der Taxifahrer, im feinen Anzug, weißem Hemd und Krawatte, der uns hinbringen soll, steigt aus, um nach dem Fahrziel zu fragen, öffnet die Taxitür zu einem mit weißen Häkelschutzdeckchen ausstaffiertem Sitz. Es duftet gut und während der Fahrt bekommen wir Bonbons angeboten.

Am nächsten Tag besichtigen wir die alte Kaiserstadt Nara – einfach unglaublich, ich könnte seitenlang berichten über Tempel, Buddhas, japanische Hochzeiten, zahme Hirsche….

Und Osaka – am eindrucksvollsten sind mal wieder die Lebensmittelabteilungen der großen Kaufhäuser. Zum einen ist es die unglaubliche Vielfalt der Waren,zum anderen aber auch ganz besonders – und das scheint mir sehr japanisch –  die Schönheit und Akkuresse, in der die Ware angeboten wird. Wir konnten uns gar nicht satt sehen. Und wenn du nach all dem Kaffee und Kuchen zu dir nehmen willst, kniet sich die Bedienung neben dir hin, um deine Bestellung aufzunehmen. Damit ihr Kopf ja nicht höher ist als deiner.

Und doch, bei aller angenehmen und schmeichelnden Höflichkeit hatten wir doch den Eindruck, manchmal stehen die Japaner mit all dem sich selbst im Weg und kommen nicht voran. Man muss mit ihnen auch sehr geduldig sein.

Paddy fields

Welch ein Glück! Wir können mal wieder verreisen. Und diesmal sogar zu viert. Friederike ist zu Weihnachten gekommen. In Peking ist es fürchterlich kalt, aber wir fliegen in den Süden! Zunächst nach Kunming. Am Abend gehen wir essen – schön südöstlich-scharf, danach bummeln wir durch die Geschäftsstraßen und stoßen auf Massen von jungen Leuten, die sich einem besonderen Vergnügen hingeben: sie besprayen sich gegenseitig mit Schnee aus der Dose – es ist der 1. Weihnachtstag und für Südchinesen ist das ein Schneefest. Schon bald sind wir weiß, aber auch rosa, blau, grün, gelb gesprenkelt, weil der Kunstschnee vielfarbig aus den Dosen kommt.

Am nächsten Tag holt uns der Bus ab und bringt uns weiter ins ursprünglichere Yunnan nach Jianshui, wo wir in einem sehr alten und großen traditionellen Hofhaus untergebracht werden. Chinesische Himmelbetten, Frisierkommoden und sogar entsprechende Kleidungsstücke machen die Sache perfekt. Abends essen wir Cross Bridge Rice Noodles und nicht nur die Kinder der Umgebung schauen den langnasigen weißen Geistern beim Schlürfen der Nudelsuppe zu. Eine Teezeremonie und Gesang und Tanz runden den Abend ab. Eine schöne Altstadt, eine großartige Tempelanlage zur Verehrung des Konfuzius und ein Minderheitendorf in der näheren Umgebung sind die hiesigen Besichtigungsziele für unsere 20-köpfige Reisegruppe.

Eine weitere stundenlange Fahrt bringt uns zum tatsächlichen Ziel der Reise nach Yuanyang. In der neuen Stadt unten im Tal steigen wir an der Tankstelle aus und es ist subtropisch warm. Wir kaufen Früchte und nutzen die mal wieder katastrophale Toilette, – ein Thema, zu dem ich nichts mehr sagen muss, dran gewöhnen wird man sich nie, aufsuchen muss man sie leider.

Jetzt geht es nur noch bergauf in die Altstadt. Zwei Stunden spätersind wir auf 1800 m Höhe, über den Wolken, angekommen. Es ist kalt und feucht und mittlerweile dunkel und unsere Hotelzimmer sind kalt und feucht und miefig. Das Abendessen ist besser als angekündigt, dafür besteht das Frühstück entweder aus Reissuppe oder schlabbrigem Toastbrot mit Marmelade (vom Reiseleiter aus Peking mitgebracht). Außerdem speisen wir vollbekleidet mit Vlies- und Outdoorjacken. Immerhin gibt es warmen Kaffee. In Yunnan wird ein wunderbarer Kaffee angebaut.

Am nächsten Morgen regnet es. Unsere Reiseleiter machen sich Sorgen. Doch dann geht der Regen in Wolken über und auf der kurzen Busfahrt zum Hanidorf klart es auf. Die Hani sind ein Minderheitenvolk, das sich auf die Bergeshöhen zurückgezogen hat und hier nun Reis anbaut, mit Hilfe von Wasserbüffeln und in tausenden von terrassierten Reisfeldern. Zurzeit stehen diese paddy fields alle gerade unter Wasser , so dass sich jetzt fantastische Ansichten spiegelnder Flächen ergeben. Das Hanidorf sieht aus, als hätten sie hier für den kleinen Hobbit gefilmt. Ich stelle fest, hier müssen die Frauen die schwere körperliche Arbeit tun ( z.B. Steine schleppen in einer Rückentrage), während die Männer beraten, verwalten oder einen Wasserbüffel ins Feld treiben. Auf den Feldern scheint es derzeit nicht so viel Arbeit zu geben. Dafür können wir auf den schmalen Abgrenzungen rumturnen und viele Fotos machen. Zwischendurch kommt immer mal wieder eine Hani-Frau und will uns selbstgemachte Stoffe oder Ansichtskarten etc. verkaufen. Wie lang die Post von hier wohl brauchen wird? Ob sie je ankommt? Mit unserer Lebenswelt hat das hier dermaßen wenig zu tun. Wir fühlen uns wie in einem Museumsdorf. Zudem ist die Verständigung ausgesprochen schwierig, da der hiesige Dialekt wenig mit unserem Mandarin-Chinesisch zu tun hat.

Als wir nach einem langen Tag in den Feldern zurück zum Hotel kommen, findet dort gerade eine Hochzeitsfeier statt. Chinesische Hochzeiten dauern nur ca zwei Stunden, aber es kommen Unmengen von Menschen. Alle bekommen zu essen und zu trinken und dann können sie wieder heimgehen. Das Brautpaar unternimmt allerdings eine Hochzeitsreise. Irgendwie müssen sie sich ja auch besser kennen lernen, viele Ehen werden immer noch von den Eltern arrangiert, viele Chinesen sind nicht aufgeklärt und völlig verklemmt. So sieht man nur sehr selten händchenhaltende Liebespaare in der Öffentlichkeit.

Im Ort durchwandern wir noch im dämmerigen Nebel die Marktstraße mit ihrem reichhaltigen Angebot. Die Marktfrauen tragen die gleiche Tracht wie die jungen Mädchen, die auf dem zentralen Platz für eine traditionelle Tanzdarbietung üben. Traditionelle Handarbeiten können wir in einem Laden kaufen, den ein Hilfsprojekt zur Stärkung des Selbstbewusstseins der Hani-Frauen betreibt. Schwere LKW und Kleinstwagen, Lastmopeds und dreirädrige Kleinlaster hupen sich durch die einzige befahrbare Straße. Das einfache, aber schmackhafte Abendessen nehmen wir wieder dickbemantelt ein. Und zittern uns danach durch die letzte kalte Nacht auf diesem Berg. Am nächsten Tag fahren wir fast nur Bus, bewundern die Landschaften, besichtigen das zweitgrößte Tiannanmen (südliches Himmelstor) in Jianshui, um am Abend ins eiskalte Peking zurück zu fliegen.

Weihnachtsstimmung in Beijing

Ich habe ein paar Fotos zur Weihnachtsstimmung hier in Beijing ins Netz gestellt. Auch wenn Weihnachten schon vorbei ist, hoffe ich dass die Fotos noch Interesse finden.

Zu finden sind sie hier: Link zu den Fotos

Es sind 15 Fotos, die nach und nach angezeigt werden (also ggf. etwas Geduld haben).

Alle Fotos wurden in der Nähe unserer Wohnung aufgenommen.

HongKong – Macau – Venedig(?)

Es ist schon manches anders in China. Auch die Mitarbeiter-Motivation. So durfte ich in diesem Jahr an der Bayer-Schering-Pharma (BSP) Annual Conference teilnehmen. Was soll man sich nun darunter vorstellen?

Es ist die einmal jährlich stattfindende Mitarbeiter-Motivationsveranstaltung der Division Pharma von Bayer HealthCare China, also dem grössten Teil meines aktuellen Arbeitgebers. Das heißt, 2000 Mitarbeiter flogen für eine Woche nach Hong Kong und Macau.

Natürlich können nicht alle zusammen reisen, das geht Bereichsweise. Mein Bereich, ca. 70 Kolleginnen und Kollegen, flogen an einem Samstag im Oktober zunächst nach Hong Kong. Mittags angekommen blieben 1 1/2 Tage für Shopping (im offiziellen Programm) und, wer mochte, einen Besuch in Disney World (natürlich von der Firma bezahlt).

Am Montag stand zunächst eine Stadtrundfahrt inklusive eines Besuchs in Madame Tussauts Wachsfigurenkabinett auf dem Programm. Danach ging es mit der Fähre nach Macau.

Am Dienstag gab es dann den BSP Tag. Das heißt eine große Veranstaltung zum Feiern der Erfolge dieses Jahres, einem Ausblick auf das kommende Jahr und die Ehrung vieler Mitarbeiter. Dazu waren dann auch zwei chinesische Olympiasieger anwesend, die nun Goldmedaillen an Bayer Mitarbeiter verteilten.

Am Nachmittag waren noch einige Workshops zu besuchen, mit denen die Zusammenarbeit unter den Kolleginnen und Kollegen gefördert werden sollte. Danach nahmen wir ein ausgezeichnetes Dinner ein, mit dem das Abendprogramm eingeläutet wurde. Kaum war das gute Essen verspeist, stürmten die 2000 Teilnehmer wieder den Saal.

Nun war Party angesagt! Und die begann sofort mit einem Höllenlärm, denn auf den Sitzen waren Krachinstrumente verteilt, wie ich sie bisher nur von Sportveranstaltungen kannte. Den ganzen Abend über wurden sie reichlich benutzt. Die Party war ein Mix aus weniger professionellen Akrobatik- und Tanzdarbietungen, aber auch den Auftritten von zwei chinesischen Showstars, die selbst ich aus dem Fernsehen kannte. Und das Publikum tobte. Interessanterweise gab es für die Party nur Softdrinks, keine alkoholischen Getränke.

Am nächsten Tag stand noch ein halbtägiger Workshop meines Bereiches auf der Tagesordnung. Der Nachmittag war dann schon wieder frei. Am Donnerstag gab es noch Gelegenheit für eine Besichtigungstour durch Macau und am Freitag flogen wir wieder nach Beijing.

Also eine Woche auf Firmenkosten mit tatsächlich 1 1/2 Tagen echtem Programm. Der Rest der Zeit blieb für Ausspannen, Sightseeing oder Shopping. Und letzteres wurde von vielen meiner Kolleginnen und Kollegen mehr als reichlich genutzt. Sicher kommen die meisten kaum einmal aus China raus und nutzten die Gelegenheit, auch einmal die Originale zu kaufen und nicht nur die Kopien, die in Beijing überall zu bekommen sind. Auch mögen einzelne Dinge in Hong Kong preiswerter sein als in Beijing. Trotzdem konnte ich kaum fassen, was gekauft wurde und vor allem wie viel. Es gab Kollegen, die mit praktisch keinem Gepäck los geflogen sind, dann in Hong Kong einen Koffer kauften und diesen bis zum Ende der Reise füllten.

Soweit Hong Kong und Macau – was ist nun mit Venedig?

Nun ja – wir waren in Macau in einem Hotel mit dem netten Namen „The Venetian“ untergebracht. Es gibt ein gleichnamiges Hotel in Las Vegas und auch das in Macau ist ein Casino-Hotel. Aber nicht irgendeins von den 29 Casino Hotels in Macau. Es ist das Casino-Hotel in Macau.Ich bin ja nun schon viel rum gekommen in der Welt, aber so etwas habe ich noch nicht gesehen und erlebt. Dieses Hotel hat 3000 Zimmer und ist angeblich so groß wie 90 Jumbo-Jets. Und im Keller gibt es ein riesiges Spielcasino.

Es war schon sehr interessant, das Spielcasino zu besuchen und zu sehen, wie die Chinesen, die für ihre Spielleidenschaft bekannt sind, das riesige Angebot annahmen. Beeindruckend, welche Summen da auf den Tisch gelegt wurden und mit welcher Leidenschaft gespielt wurde.“Leider“ kenne ich die meisten der angebotenen Glücksspiele nicht und konnte mich daher nicht so recht beteiligen.

Eines Morgens fuhr ich mit dem falschen Aufzug und musste durch das Casino, um ohne Umweg zum Frühstück zu kommen. Selbst um diese Zeit, morgens kurz nach Sieben war das Casino gut gefüllt und machte sicher noch  – oder schon – einen guten Umsatz. Verblüfft war ich dann noch mehr als mich eine schick aufgemachte junge Frau ansprach, um mir ihre Dienste anzubieten. Schon am Abend hatte mich überrascht, wie offen die Damen ihre möglichen Kunden ansprachen, aber morgens um Sieben hatte ich damit nicht gerechnet.

Über dem Casino hat das Hotel ein eigenes Einkaufszentrum. Und das sieht aus wie Venedig. Das heißt, man hat Venedig im Innern dieses Hotels nachgebaut. Alle „Häuser“ im venezianischen Stil, mit Nachbauten der wichtigsten Plätze aus Venedig und mehreren Kanälen mit venezianischen Gondeln und singenden Gondoliere. Natürlich sind die Decken als Himmel ausgestaltet und am Abend geht scheinbar „die Sonne unter“. Man kann „draußen“ Essen gehen und am Abend kommen Sänger und Gaukler und unterhalten das Publikum.  Und das Ganze ist so groß, dass man für eine Rundgang gerne eine Stunde braucht. Ich kann nur empfehlen einmal die website: www.venetianmacao.com zu besuchen, um einen Eindruck zu bekommen. Selbst das Aussengelände ist entsprechend gestaltet. Inklusive Dogenpalast, Campanile und Seufzerbrücke.

So habe ich also in einer Woche neben Hong Kong und Macau auch „Venedig“ besucht.

Ein Jahr China

Tatsache, ein Jahr China liegt bereits hinter uns – und? Hat sich was verändert?

Natürlich. Ich rede jetzt mal nur von mir – das muss doch jede selbst für sich festmachen. Beim Heimaturlaub wurden rote Ampeln ignoriert, dafür stand ich an jedem Zebrastreifen erstmal fest auf dem Fußweg und vergewisserte mich, dass weder Autos noch Radfahrer vorbeikamen. Selbst Auto fahrend musste ich mir ständig sagen: rechts fahren, links überholen und Rücksicht nehmen! In Peking wieder angekommen, mussten alle diese guten Grundsätze beim Radfahren sofort wieder vergessen werden. Ich habe den Eindruck, ich fahre aggressiver denn je zuvor, haue mich schneidenden Taxifahrern auf die Kühlerhaube oder gegen die Fenster und schimpfe lauthals – allerdings auf deutsch – trotzdem guckte sich neulich ein Fußgänger um, eine Langnase. Ob er mich verstanden hat? Peinlich! Nun ja, es wird jetzt deutlich kälter und die Radtouren werden abnehmen. Unser Fahrer ist ja auch wieder zurück aus dem Firmenurlaub. 2000 chinesische Bayeraner waren eine Woche lang in Macau – einschließlich einiger „weißer Geister“ und unserem Fahrer. Allerdings darf er dienstags nicht mehr fahren, im Oktober war es der Montag. An jedem Montag bis Freitag dürfen die Fahrzeuge mit je zwei bestimmten Kennzeichen-Endziffern nicht fahren (1+6,2+7,…) irgendwie muss Peking mit den Automassen fertig werden. Werden weiterhin so viele zusätzliche Fahrzeuge zugelassen, wird bald wieder die Olympia-Regelung eingeführt werden: nur noch jeden zweiten Tag.

Bei uns daheim heißt das zur Zeit: nur noch jede zweite Lampe. Es ist schon interessant, nach einem Jahr hat mehr als die Hälfte der Halogenlampen ihren Geist aufgegeben, die Wohnzimmerlampe verfügt nur noch über einen geringen Teil ihrer ursprünglichen Leuchtkraft, und vor einer Woche schaltete sich auch noch einfach das Internet aus. Es brauchte mehrere Fachleute, um rauszubekommen, dass wir einfach wieder bezahlen müssen. Rechnung haben wir zwar keine bekommen, aber wie beim Strom oder beim Gas merkt man ja dadurch, dass es nicht mehr funktioniert, dass mal wieder eine kleine Überweisung not tut. So was passiert natürlich, wenn der einzige Computerexperte im Haus in Macau weilt und auf meine Vermutung, es könnte am Geld liegen, deutlichst fernmeldet, das sei völlig abwegig. Jetzt warten wir darauf, dass unser Fernseher schwarz wird, denn die Bezahlung müsste jetzt auch auslaufen.

Allerdings, als ich neulich Gas nachkaufte, aus Deutschland zurückkehrend und nicht mehr kochen könnend, half das gar nicht. Erst ein seeehhhhrrrr verspäteter Hinweis meines derzeit noch in Deutschland weilenden Ehepartners – er habe nicht nur alle Stecker gezogen (mit Ausnahme meines Computersteckers – haha!) sondern auch das Gas abgedreht, brachte meine Suppe zum Kochen.

Ja, und dann stelle ich fest, dass ich mich hier natürlich zu Hause fühle, etliche neue Freundschaften haben sich in diesem Jahr entwickelt – leider verlassen die ersten FreundInnen schon wieder das Land – und es gibt so etwas wie einen alltäglichen Trott. Aber Tatsache ist auch, dass Deutschlandbesuche nicht gut tun – zumindest hinterher nicht. Ich hatte Heimweh. Dieses Leiden habe ich zuletzt mit 16 Jahren verspürt. Jetzt war es wieder da. Aber es ist vorüber. Der Alltag hat mich wieder. Ich lerne chinesisch, kämpfe gegen den Staub, trinke mein Käffchen mit Anne, male mit Sabine, Barbara und Gunhilde und singe mit fast hundert Leuten im Deutschen Chor. Am nächsten Wochenende geben wir zwei Konzerte: Carmina Burana – und noch bin ich erkältet. Irgendwie kenne ich das aus der Vorweihnachtszeit in Essen. Heiligabend war die Stimme aber immer wieder da – nächstes Wochenende besimmt auch und dann werde ich im Alt 2 deutlich zu hören sein. Ich freu mich drauf.

China gegen den Rest der Welt

Da sage keiner, dass sei übertrieben. Ich weiß noch andere Titel, heftiger, die ebenfalls ausdrücken würden, was hier in den letzten Wochen deutlich wurde. Seit Jahren, seit klar war, dass er-ling-ling-ba (2008) die Olympiade in Beijing stattfindet, wurden alle, die sportlich besonders befähigt waren, in China zu Höchstleistungen aufgebaut. Jeder in China wusste: wir sind die Besten! Und so gingen alle davon aus, dass man mehr oder minder alle Goldmedaillen einsammelt – selbst bei den Paralympics, obwohl man doch in den Jahrzehnten zuvor die behinderten Kinder einfach auf der Straße aussetzte oder sie versteckte.

Doch – womit keiner hier gerechnet hatte – es gab auch noch andere Höchstleistungssportler. Und: auch Chinesen haben Nerven und sind verwundbar.

So trug ein ganzes Volk  Trauer, als der Hürdenläufer Liu verletzt ausschied. Er war zuvor einer der absoluten Volkshelden. Nicht nur im Fernsehen sah man Tränen – beim Trainer des Ausnahmesportlers. Und auch manch anderer, der nur Silber oder Bronze gewann, kämpfte mit den Tränen der Trauer und der Scham. Ob die wohl alle hinterher ordentlich Selbstkritik üben mussten?

Aber das Tollste im chinesischen Fernsehen waren die Zusammenfassungen verlorengegangener Matches in Ballsportarten. Da wurden dann doch tatsächlich nur die guten Aktionen der unterlegenen Chinesen und die schlecht ausgegangenen Spielzüge ihrer letztendlich gewinnenden Gegner gezeigt. Jetzt weiß ich, wie Geschichtsfälschung und Gehirnwäsche funktionieren.

Bei den Paralympics waren wir ja mehrfach zugegen und machten sehr verschiedene Erfahrungen. Zunächst einmal war das Birds Nest völlig überfüllt und die chinesische Methode des Vordrängelns – irgendwie kriege ich schon einen Platz in der ersten Reihe – wurde von Tausenden gleichzeitig über Stunden hinweg versucht. Das allein nervte schon gewaltig. Aber was ich viel schlimmer fand, war der selektive Beifallssturm.

Wenn in der Wettkampftruppe eine Chinesin oder ein Chinese mitmachte, tobte und schrie und klatschte die Menge, ganz gleich, ob China gewann oder auf dem letzten Platz landete. War das aber nicht der Fall, so schwieg man sich aus, egal ob Weltrekorde gebrochen wurden oder unglaubliche Leistungen gezeigt wurden. Und es waren wirklich großartige Sportler und Sportlerinnen, unter anderem eine Goldmedaillengewinnerin aus Leverkusen, denen wir zusehen konnten und die wir auch heftig beklatschten. An diesem Tag habe ich sogar für einen Iraner Beifall geklatscht, damit der überhaupt was hörte bei seiner Siegerehrung, die direkt vor unserer Nase stattfand.

Als einige Tage später die iranische Herrenmannschaft im Sitzvolleyball die Goldmedaille errang, war allerdings alles ganz anders. Die Halle war gut gefüllt, mit vielen Chinesen, aber auch Iranern und Bosniern und einigen anderen Langnasen. Die Chinesen ließen sich begeistert mitreißen, für eine der Mannschaften zu jubeln und so machte das Zusehen wirklich Spaß. Und spannend war es auch, besonders das Spiel zuvor zwischen Ägypten und Russland um den dritten Platz. Aber diesmal haben wir uns die Siegerehrung erspart. Die anwesenden iranischen Fans waren mindestens genauso nationalistisch wie die Chinesen sonst.

Am besten gefallen haben mir die Rollstuhlbasketballspiele zwischen England, Australien, Canada und den USA. Diese Mannschaften schenkten sich nichts und waren Spitzenklasse. Alle in der Halle waren hellauf begeistert und der Jubel war gerecht verteilt – es spielte ja auch kein Chinese mit.

Ansonsten hätte wieder gegolten: China, China, über alles, über alles in der Welt!

Rekorde

Wir wurden vielfach gefragt, was wir denn alles von der Olympiade gesehen haben.

Leider nicht viel. Denn wir hatten uns viel zu spät um Karten bemüht (nach der Ankunft hier gab es erst mal tausend wichtigere Dinge zu erledigen) und dann war natürlich alles weg. Aber irgendwann wollte ich es nicht mehr hinnehmen, die Olympiade vor der Nase zu haben und nicht einmal live dabei zu sein. Also haben wir auf dem Schwarzmarkt zwei Karten für die Leichtathletik im sogenannten Birds Nest erstanden. Der Preis bleibt mein Geheimnis.

Also zogen Charlotte und ich eines nachmittags los in Richtung Olympiastadion. Es war meine erste Erfahrung mit der Beijinger U-Bahn und die  war ausgesprochen positiv. Natürlich wurde es immer voller, je näher wir dem Olympiagelände kamen, aber das war ja wohl zu erwarten. Und voll heißt in China wirklich voll. Nach einmaligem Umsteigen inklusive Sicherheitskontrolle waren wir in ca. einer Stunde auf dem Olympiagelände. Allein das ist sicher schon einen Besuch wert. Nicht nur das Olympiastadion ist beeindruckend, sondern auch das Schwimmstadion ist sehenswert, besonders nachts, wenn es von innen beleuchtet wird.

Nach einem kleinen Spaziergang über das Olympiagelände waren wir bald im Stadion angekommen. Und der Anblick ist auch von innen atemberaubend. Ein Stadion für 90 000 Menschen, das aber durchaus nicht klotzig oder klobig wirkt, sondern durch geschwungene Formen besticht.  Wir hatten ausgezeichnete Plätze, am Ende der Gegengeraden in Reihe 21, damit nah genug an der“Aschen“-Bahn und doch etwas erhöht, so dass man die Rasenfläche gut übersehen konnte. Da wir ca. eine Stunde vor dem offiziellen Beginn im Stadion waren, blieb auch ausreichend Zeit uns umzusehen und das Ambiente zu genießen. Auf einen Hinweis der Ordner hin (!) konnten wir uns auch noch rechtzeitig mit Getränken usw. versorgen – und das zu sehr zivilen Kosten und nicht zu den Wucherpreisen, die ich aus Deutschland bei solchen Gelegenheiten gewohnt bin.

Gesehen haben wir an diesem Abend den Weitsprung der Frauen, das Ende des Zehnkampfes inklusive des Marathons der Zehnkämpfer, also den abschließenden 1500m Lauf, mehrere Staffellaeufe wobei wir einen Wechsel der 4×100 m Laeufer(innen) direkt vor uns hatten, die 5000 m der Frauen und den Stabhochsprung der Maenner.

Es gab Tränen verschiedenster Art an diesem Abend: Tränen der Enttaeuschung der 4×100 m Frauen aus Jamaika, die alsTopfavoriten ihren Staffelstab verloren. Das passierte an dem Wechsel vor uns, so dass wir das Drama hautnah miterleben konnten. Aber auch Traenen der Freude von der brasilianischen Weitsprung-Siegerin, die wohl ziemlich ueberraschend gewonnen hat.

Rekorde gab es auch. Einen olympischen Rekord durch den australischen Goldmedaillengewinner im Stabhochsprung. Und das nach einem echten Krimi. Er hatte die Goldmedaille bereits sicher, wollte aber den olympischen Rekord brechen. Er scheitert im ersten Versuch. Danach lässt er die Zeit für den zweiten Versuch verstreichen, um sich wenigsten etwas zu regenerieren. Und schafft dann die Höhe im dritten und letzten Versuch. Das Schoene dabei war, dass die Stabhochsprunganlage direkt vor uns auf der anderen Seite der Aschenbahn aufgebaut war.

Vorher hatten wir bereits einen Weltrekord über 4x100m der Männer erlebt, erzielt durch die Mannschaft aus Jamaika mit dem fabelhaften Usain Bolt.

Ja, wir waren bei Olympia. Aber waren das olympische Spiele, so wir ich sie erwartet hatte? Eigentlich nur zum Teil. Irgendwie fehlte an diesem Abend die Stimmung. Obwohl es ein warmer Sommerabend war und wir außergewöhnliche sportliche Leistungen sahen, kam keine wirkliche Atmosphäre auf. Bemerkenswert ist sicher, dass das chinesische Publikum kaum nicht-chinesische Sportler beklatschte, auch wenn es Ausnahmen gab wie den Stabhochsprung Sieger. Aber wenn ein chinesischer Sportler am Start war, tobte das Publikum. Dabei spielte es auch keine Rolle, ob dieser mit weitem Abstand hinter den anderen hinterher lief. Ich hatte den Eindruck, dass in jedem Block ein Einpeitscher sass, der die Sprechchöre anstimmte und dafür sorgte, dass diese erst wieder aufhörten wenn der Wettbewerb für den chinesischen Teilnehmer zu Ende war. Mir persönlich hat dies die Stimmung an diesem Abend etwas genommen, denn für mich zählt zunächst die persönliche Leistung und aus welchem Land ein Sportler kommt, ist für mich zweitrangig.

Trotzdem hat sich der Besuch bei den olympischen Spielen gelohnt. Es war das Geld wert, dieses „Spektakel“ wenigstens einen Abend hautnah mitzuerleben.

Besuch im Polizeistaat

Am letzten Sonntag (auch der letzte Tag der Olympiade) hatten wir uns überlegt, wieder einmal den Houhei Park zu besuchen. Der Houhei Park ist ein Park mit einem großen See ziemlich zentral gelegen in Beijing. Zunächst sind wir mit der U-Bahn in die Nähe gefahren, um dann durch Nebenstraßen zum Park zu gehen.
Aber kaum kamen wir in die Nähe des Parks, war die Zugangsstraße durch ein Flatterband und viele Uniformierte abgesperrt. Zugang nur für autorisierte Personen. Nun ist an dieser Ecke auch eine Sportschule, so dass wir vermuteten, dass dort einige Olympioniken untergebracht sein könnten und deshalb die Umgebung abgesichert wird.
Wir gingen also etwas weiter, um über einen kleinen Umweg zum See zu kommen. Aber auch an den nächsten Zugängen das gleiche Bild: Flatterband und viele Uniformierte (Armee, Polizei, …). Nun ist der Houhei auch bei den Beijinger Bewohnern ein beliebtes Ausflugsziel für den Sonntag und dementsprechend viele Menschen standen ratlos vor den Absperrungen. Wir kamen mit einem jungen chinesischen Pärchen ins Gespräch, die zwar auch keine Erklärung hatten, aber meinten, Ausländer würden eingelassen. Unglaublich! Das wollten wir genauer wissen.
Also gingen wir zu einer der Uniformierten und fragten nach. Leider konnten wir weder eine Einladung vorweisen, noch hatten wir einen Tisch in einem der vielen Lokale am See reserviert. Trotzdem wurden wir nach kurzer Überlegung eingelassen. Das war ja schon etwas merkwürdig.
Richtig unwohl fühlte ich mich dann allerdings, als ich sah, wer im Park unterwegs war. Hunderte von Uniformierten: Polizisten in blau, Soldaten in grün, Miliz in gescheckt, … Alle paar Meter stand wenigstens ein Uniformierter und passte auf – auf dem See Boote mit Polizei und immer wieder grössere Gruppen von Uniformierten. Dazu auffällig viele in Zivil mit Kameras (wie etliche Polizisten auch).
Die Fotos, die in meinem Fotoalbum zu sehen sind, habe ich innerhalb weniger Minuten gemacht. Sie geben wenigstens einen Eindruck, von unserem Besuch im „Polizeistaat“ wider.
Auch nachdem wir den Park verlassen hatten, mussten wir feststellen, dass an der nächsten großen Kreuzung Autos durch Polizisten in kugelsicherer Weste und Stahlhelm kontrolliert wurden.
Im Laufe der Woche haben wir dann noch etwas Merkwürdiges erfahren. Ein anderer deutscher Bekannter, den wir kurz nach dem Verlassen des Parks trafen, wurde nicht eingelassen. Er hatte sich wenige Tage vorher nach einer Auslandsreise ordnungsgemäß bei der Hutong-Polizei zurückgemeldet und wurde daher von seiner Wohnbezirks-Polizistin erkannt. Als Ansässiger wurde er ebenfalls nicht eingelassen. Also wurden offensichtlich nur (Olympia-)Gäste aus dem Ausland eingelassen. Wir hatten wohl schlicht Glück, dass man uns nicht genauer kontrolliert hatte.
Alle Nachfrage bei Kollegen, Freunden und Bekannten erbrachte keine Erklärung für das „Warum“. Insbesondere nicht, wofür die Hunderte von Uniformierten im Park da waren. Was bewacht wurde oder wovor man Angst hatte, bleibt im Dunkeln.
Was bleibt, ist eine nachhaltige Erinnerung an den Besuch im Polizeistaat.