Niu-year

Niu – das Rind – grüßt von allen Plakatwänden, Fenstern, Tassen. Das Jahr des Rindes hat angefangen und es knallt und zischt seit fünf Tagen durch ganz Peking und sicherlich auch durch den nicht gerade kleinen Rest von China. Angeblich wurde noch mehr Feuerwerk verkauft als im vergangenen Jahr.

Wir finden es diesmal aber ruhiger als im vergangenen Jahr, als die Ratte begrüßt wurde. Immerhin war nach drei Uhr morgens erst mal für fünf Stunden Ruhe, bevor am Montagmorgen heftiges Trommeln, eher Paukenschlagen, im Verein mit lautem Feuerwerk mich weckte. Vor dem Kerry-Hotel gab es um 8.30 Uhr für die werten Gäste und die sich nicht wehren könnenden Anlieger einen traditionellen Drachentanz mit allem Budenzauber, den China zu Neujahr zu bieten hat. Auch die Zugfahrkartenverkäufe erreichten ungeahnte Höhen. Alle Welt verreist nach Hause. Nicht nur die Wanderarbeiter, auch die Angestellten der vielen Geschäfte und die Köche und Bedienungen der Restaurants. Peking wirkt wie ausgestorben. Die hier unbekannte Sonntagsruhe zieht gleich für eine ganze Woche ein. Das hieß natürlich auch, dass wir uns im Vorfeld für eine Woche mit allem ausrüsten mussten, was man für das leibliche Wohl braucht.

Wir haben uns schlau gemacht, was man denn unternehmen kann in dieser leeren Stadt. Die Straßen waren tatsächlich leer. Wäre es nicht so kalt, könnte man endlich mal nach Herzenslust Fahrrad fahren.

Also besuchen wir per U-Bahn, auch die Taxifahrer machen Heimaturlaub, den Lama-Tempel. Doch die völlig überfüllte U-Bahn fährt durch unsere Haltestation durch. Eins weiter steigen wir aus, um festzustellen, dass offensichtlich ganz Peking unsere Pläne teilt. Das Viertel rund um die Tempelanlage ist abgespeert und in einer langen Schlange warten die Menschen auf Durchlass, jeder mit Räucherstäben, Blumen und Obst beladen, um sie für ein gutes neues Niu-Jahr zu opfern. Wir ändern unseren Plan und ziehen in einem großen Bogen um das Tempelviertel herum zum Ditan (Erd-Tempel) Park. Menschenmassen wälzen sich durch diesen Park, in den wir aber immerhin hineingelangen. Aber schön ist etwas anderes. Eine Art Kirchweih/Kirmes wird hier gefeiert und alle machen mit. Als wir gehen wird auch hier abgesperrt und der Zugang reguliert. Es wurde auch allerhöchste Zeit.

Am nächsten Tag erholen wir uns – „mine Beene!!!“. Doch dann geht es weiter in den Tempel des Himmels (Tian Tan). Hier gibt es den nachgestellten traditionellen Einzug des chinesischen Kaisers zur Neujahrstempel – zeremonie im Tian Tan zu sehen. Unzählige Besucher schauen sich mit uns diesen „Zoch“ an, offensichtlich viele aus der Provinz, denn wir sind, selbst eifrig fotografierend, ein beliebtes Fotomotiv.

Es ist Donnerstag. Es wird weiterhin geknallt und gefeuerwerkelt und wir besuchen die nächste Tempelanlage, gleich bei uns um die Ecke. Schon vor dem Eingang bekommen wir viel zu sehen. Eine ausgesprochen fitte Rentnertruppe gibt ein zwischen Pekingoper und Dorftheater angesiedeltes Possenstück zum Besten. Es ist sehr unterhaltsam und findet begeisterte Zuschauer. In der Tempelanlage sind die verschiedensten traditionellen Jahrmarktsattraktionen zu bewundern: Mäusezirkus und Knetfigurenbastler, Zuckergußfigurenbläser, chinesisches Kasperltheater, aber auch Akrobaten, Wurfspiele, Fressbuden und mittendrin stehen die Räucheraltäre und werden Räucherstäbe und Obst und Geld geopfert. Die Menschen schreiben ihre Wünsche auf rote Holzplättchen, die an die Wegegitter gehängt werden, und beten vor bestimmten Götterfiguren, die wir nicht einordnen können. Denn in diesem Tempel gibt es Hunderte von Göttern, für wirklich jeden Zweck einen.

Mittlerweile ist Freitag. Heute Morgen war es draußen so laut, dass ich dachte, sie sprengen ein paar Hochhäuser in die Luft. Aber nein, am fünften Tag muss man es doch so richtig krachen lassen, denn danach ist erstmal Ruhe angesagt, bis zum 15. Tag des neuen Jahres. Da wird nochmals die Sau rausgelassen. Aber diesmal wissen wir, was uns erwartet.