Welch ein Glück! Wir können mal wieder verreisen. Und diesmal sogar zu viert. Friederike ist zu Weihnachten gekommen. In Peking ist es fürchterlich kalt, aber wir fliegen in den Süden! Zunächst nach Kunming. Am Abend gehen wir essen – schön südöstlich-scharf, danach bummeln wir durch die Geschäftsstraßen und stoßen auf Massen von jungen Leuten, die sich einem besonderen Vergnügen hingeben: sie besprayen sich gegenseitig mit Schnee aus der Dose – es ist der 1. Weihnachtstag und für Südchinesen ist das ein Schneefest. Schon bald sind wir weiß, aber auch rosa, blau, grün, gelb gesprenkelt, weil der Kunstschnee vielfarbig aus den Dosen kommt.
Am nächsten Tag holt uns der Bus ab und bringt uns weiter ins ursprünglichere Yunnan nach Jianshui, wo wir in einem sehr alten und großen traditionellen Hofhaus untergebracht werden. Chinesische Himmelbetten, Frisierkommoden und sogar entsprechende Kleidungsstücke machen die Sache perfekt. Abends essen wir Cross Bridge Rice Noodles und nicht nur die Kinder der Umgebung schauen den langnasigen weißen Geistern beim Schlürfen der Nudelsuppe zu. Eine Teezeremonie und Gesang und Tanz runden den Abend ab. Eine schöne Altstadt, eine großartige Tempelanlage zur Verehrung des Konfuzius und ein Minderheitendorf in der näheren Umgebung sind die hiesigen Besichtigungsziele für unsere 20-köpfige Reisegruppe.
Eine weitere stundenlange Fahrt bringt uns zum tatsächlichen Ziel der Reise nach Yuanyang. In der neuen Stadt unten im Tal steigen wir an der Tankstelle aus und es ist subtropisch warm. Wir kaufen Früchte und nutzen die mal wieder katastrophale Toilette, – ein Thema, zu dem ich nichts mehr sagen muss, dran gewöhnen wird man sich nie, aufsuchen muss man sie leider.
Jetzt geht es nur noch bergauf in die Altstadt. Zwei Stunden spätersind wir auf 1800 m Höhe, über den Wolken, angekommen. Es ist kalt und feucht und mittlerweile dunkel und unsere Hotelzimmer sind kalt und feucht und miefig. Das Abendessen ist besser als angekündigt, dafür besteht das Frühstück entweder aus Reissuppe oder schlabbrigem Toastbrot mit Marmelade (vom Reiseleiter aus Peking mitgebracht). Außerdem speisen wir vollbekleidet mit Vlies- und Outdoorjacken. Immerhin gibt es warmen Kaffee. In Yunnan wird ein wunderbarer Kaffee angebaut.
Am nächsten Morgen regnet es. Unsere Reiseleiter machen sich Sorgen. Doch dann geht der Regen in Wolken über und auf der kurzen Busfahrt zum Hanidorf klart es auf. Die Hani sind ein Minderheitenvolk, das sich auf die Bergeshöhen zurückgezogen hat und hier nun Reis anbaut, mit Hilfe von Wasserbüffeln und in tausenden von terrassierten Reisfeldern. Zurzeit stehen diese paddy fields alle gerade unter Wasser , so dass sich jetzt fantastische Ansichten spiegelnder Flächen ergeben. Das Hanidorf sieht aus, als hätten sie hier für den kleinen Hobbit gefilmt. Ich stelle fest, hier müssen die Frauen die schwere körperliche Arbeit tun ( z.B. Steine schleppen in einer Rückentrage), während die Männer beraten, verwalten oder einen Wasserbüffel ins Feld treiben. Auf den Feldern scheint es derzeit nicht so viel Arbeit zu geben. Dafür können wir auf den schmalen Abgrenzungen rumturnen und viele Fotos machen. Zwischendurch kommt immer mal wieder eine Hani-Frau und will uns selbstgemachte Stoffe oder Ansichtskarten etc. verkaufen. Wie lang die Post von hier wohl brauchen wird? Ob sie je ankommt? Mit unserer Lebenswelt hat das hier dermaßen wenig zu tun. Wir fühlen uns wie in einem Museumsdorf. Zudem ist die Verständigung ausgesprochen schwierig, da der hiesige Dialekt wenig mit unserem Mandarin-Chinesisch zu tun hat.
Als wir nach einem langen Tag in den Feldern zurück zum Hotel kommen, findet dort gerade eine Hochzeitsfeier statt. Chinesische Hochzeiten dauern nur ca zwei Stunden, aber es kommen Unmengen von Menschen. Alle bekommen zu essen und zu trinken und dann können sie wieder heimgehen. Das Brautpaar unternimmt allerdings eine Hochzeitsreise. Irgendwie müssen sie sich ja auch besser kennen lernen, viele Ehen werden immer noch von den Eltern arrangiert, viele Chinesen sind nicht aufgeklärt und völlig verklemmt. So sieht man nur sehr selten händchenhaltende Liebespaare in der Öffentlichkeit.
Im Ort durchwandern wir noch im dämmerigen Nebel die Marktstraße mit ihrem reichhaltigen Angebot. Die Marktfrauen tragen die gleiche Tracht wie die jungen Mädchen, die auf dem zentralen Platz für eine traditionelle Tanzdarbietung üben. Traditionelle Handarbeiten können wir in einem Laden kaufen, den ein Hilfsprojekt zur Stärkung des Selbstbewusstseins der Hani-Frauen betreibt. Schwere LKW und Kleinstwagen, Lastmopeds und dreirädrige Kleinlaster hupen sich durch die einzige befahrbare Straße. Das einfache, aber schmackhafte Abendessen nehmen wir wieder dickbemantelt ein. Und zittern uns danach durch die letzte kalte Nacht auf diesem Berg. Am nächsten Tag fahren wir fast nur Bus, bewundern die Landschaften, besichtigen das zweitgrößte Tiannanmen (südliches Himmelstor) in Jianshui, um am Abend ins eiskalte Peking zurück zu fliegen.