Quasimodo geniti

Kolosser 1, 24ff

Ja, es ist Sonntag, einer meiner Lieblingssonntage, auch wegen des schönen Namens. Er erinnert mich immer wieder an eine private Geschichte, die hier nicht Thema werden soll, und zudem ist es der Sonntag, an dem ich fast immer auf der Kanzel stand. Wie die neugeborenen Kinder – so unschuldig, so unwissend, so neugierig, so hilflos, so abhängig, ja, genau, abhängig von dem, was andere, vor allem Mutter und Vater, für uns aus Liebe tun. Denn wenn sich andere nicht liebevoll kümmern, können Neugeborene nicht überleben. Wie die Neugeborenen werden – laut Predigttext für den heutigen Sonntag aus Joh. 21 – auch die Jünger von Jesus umsorgt. Nicht so richtig wissend, was sie tun sollen, im Alltagstrott verkümmernd und dann auch noch erfolglos von der Arbeit zurückkehrend steht Jesus am Morgen vor ihnen da, mit dem aufgehenden Sonnenlicht. Macht es noch einmal, auch wenn es jetzt eigentlich nicht die übliche Zeit ist! Und sie haben Erfolg mit ihrem unkonventionellen Versuch. Doch ihr Fangerfolg ist gar nicht nötig, um sie selbst zu sättigen. Jesus empfängt sie mit Lagerfeuer, Brot und Fisch. – Siehe alles ist bereit. Schmecket und sehet, wie freundlich der Herr ist. – Ihr umfangreicher Fischfang – 153 Fische, wie die Anzahl der damals bekannten Fischarten – verweist sie auf ihr Menschenfischersein in aller Welt und holt sie damit auch noch aus ihrem Alltagstrott und ihrer Ziellosigkeit. Und damit bin ich im Kolosserbrief, in dem es darum geht, das Geheimnis Gottes an alle Menschen weiterzugeben. Das Geheimnis: Gott kümmert sich auch um dich, gibt dir die Möglichkeit zum erneuten Versuch. Jesus steht auch für dich im Licht des neuen Morgens.

Das ganze kann man übrigens auch auf das Thema Gemeinde und Kirche anwenden, nicht nur auf die/den Einzelne*n.

Nicht exclusiv!

Kolosser 1, 15-23

Christus ist das Ebenbild des unsichtbaren Gottes,

der zuerst Geborene:

Vor allem Geschaffenen war er da.

Denn durch ihn wurde alles geschaffen,

im Himmel und auf der Erde.

Das Sichtbare und das Unsichtbare –

ob Throne oder Herrschaftsbereiche,

ob Mächte oder Gewalten –

alles wurde durch ihn geschaffen

und alles hat in ihm sein Ziel.

Er ist vor allem da,

und in ihm hat alles Bestand.

Und er ist das Haupt des Leibes – der Gemeinde.

Er ist der Anfang:

der erste der Toten, der neu geboren wurde.

In jeder Hinsicht sollte er der Erste sein.

Denn so hatte es Gott beschlossen:

Mit seiner ganzen Fülle wollte er

in ihm gegenwärtig sein.

Und er wollte,

dass alles durch ihn Versöhnung erfährt.

In ihm sollte alles zum Ziel zu kommen.

Denn er hat Frieden gestiftet

durch das Blut, das er am Kreuz vergossen hat.

Ja, durch ihn wurde alles versöhnt –

auf der Erde wie im Himmel.

Das gilt auch für euch. Früher wart ihr Christus fremd, ja, ihr wart zu seinen Feinden geworden. Das zeigt sich an all dem Bösen, auf das euer Sinn gerichtet war. Aber jetzt hat er euch als sterblicher Mensch durch seinen Tod die Versöhnung geschenkt. So könnt ihr nun heilig und makellos vor ihn treten, und niemand kann euch anklagen. Ihr müsst nur treu und unerschütterlich am Glauben festhalten. Und ihr dürft euch nicht von der Hoffnung abbringen lassen. Sie erwächst aus der Guten Nachricht, die ihr gehört habt. Diese Botschaft ist allen Geschöpfen unter dem Himmel verkündet worden. Und ich, Paulus, stehe in ihrem Dienst.

In der neuen Basisbibel kann jede*r gut erkennen, dass die Bibellese heute aus zwei sehr unterschiedlichen Texten besteht. Der erste Teil ist wie ein Glaubensbekenntnis zu Christus formuliert, der Schöpfung und Versöhnung in sich vermittelt.

Diese Glaubensaussagen gelten auch für eure Gemeinde – und eure Gemeinde ist nicht nur die in Kolossae! -, schreibt der Absender. Und ja, früher ward ihr dem Glauben gegenüber feindlich, doch ihr habt die Botschaft der Versöhnung angenommen. Deshalb: bleibt dabei.

Und diese Botschaft ist nicht exclusiv, sie gilt global.

Wir sind Gottes eine Welt. „durch ihn wurde alles geschaffen“ und „durch ihn wurde alles versöhnt“

Kolossal -ein Brief

Kolossae 1, 1-14

Der Brief an die Gemeinde in Kolossae – wohl eher nicht von Paulus, aber vielleicht von Timotheus? Ein Brief zum Weitergeben an andere Gemeinden und doch zuerst im Brief ein Lob und Dank an Gott für die Gründung der Gemeinde, die nicht von Paulus gegründet wurde. Es folgt sogleich die Fürbitte für die Gemeinde. Das tut alles erst einmal gut, ist aber nicht gerade ein spannender Einstieg. Der Anlass für den Brief ist bislang noch nicht zur Sprache gekommen. In Kolossae ist gewiss nicht alles gut und lobenswert. Wie könnte es anders sein. Aber es wird alles zur Sprache kommen. Trotzdem wird die Gemeinde erst einmal zum Dank aufgefordert.

Ändert euer Leben

Lukas 24, 50ff

„Du verwandelst meine Trauer in Freude“ Dieser Liedtitel fällt mir ein bei den wenigen Sätzen der heutigen Bibellese. Eigentlich müssten sie doch traurig gehen. Jesus ist wieder fort, „in den Himmel aufgehoben“ – wie auch immer. Doch diesmal trauern sie nicht, fliehen nicht, fürchten sich nicht. Sie beten, kehren voller Freude nach Jerusalm zurück und loben Gott in aller Öffentlichkeit im Tempel. Sie verstecken sich nicht mehr. Zweifel, nicht glauben, was die Frauen berichten, große Traurigkeit und Verzagtheit verwandelt sich durch Auftrag und Segen in Freude. Sie wollen Zeug*innen sein. – mit weltweitem Erfolg. 2000 Jahre lang

Ich bin mir sicher, diese ersten Zeug*innen dachten weder an Macht noch Geld, sie vergriffen sich nicht an Kindern und forderten keine Geißelungen. Sie zogen in keinen Krieg. Sie machten keinen Unterschied zwischen Männern und Frauen. Sie wollten Menschen dazu bringen, sich zu ändern, alles böse und lebensgefährdende abzulegen und Jesu Predigten zu folgen, seinem Beispiel der Liebe zu Gott und den Mitmenschen. Seit 2000 Jahren gibt es leider auch die, die das alles von innen her sabotieren, weil sie sich eben nicht ändern.

Begreifen

Lukas 24, 33 – 49

Ja, wie kann man das begreifen? Wir können es nicht. „Es hat Hand und Fuß“ gilt damals für die ungläubigen Zeitzeugen. Sie können ihn berühren, sie können mit ihm speisen. Und nicht wie er Brot bricht oder den Fisch weitergibt, allein die Tatsache, dass er isst, soll sie überzeugen. Er erklärt ihnen das Geschehene.

Wir sind wie die Nicht-Sehenden und können nur auf die mittelbaren Berichte und Erklärungen setzen, das ursprüngliche Zweifeln mit unserem gleichsetzen und das Vertrauen und den Glauben wagen.

Die damals in Jerusalm Zeug*innen werden und Zeugnis weitergeben sollen, sind doch erst einmal große Zweifler*innen und ziemlich mutlos.

„Ihr werdet meine Zeugen sein“ hieß ein Programm des Reformierten Weltbundes, an dem ich 1984/85 mitarbeiten durfte. Das Büchlein dazu werde ich mir heute nocmal ansehen.

Übrigens: Schnee zu Ostern! kein Aprilscherz. (siehe Beitrag 1. April)

Beerdigung

Lukas 23, 50-56

Jesus ist tot. Der Leichnam muss beigesetzt werden. Ein bislang fremder Josef aus Arimathäa kümmert sich darum. Wurde er zum Heiligen der Bestatter? Er böte sich doch an, oder? Allerdings kenne ich mich mit angeblich besonderen Heiligen nicht so aus. Die Frauen, die einzigen, die sich anscheinend heraus trauen, schauen sich an, wo das Grab ist. Alles andere aber muss jetzt unterbleiben. Es ist Sabbat. Es fällt schwer, all das sein zu lassen, was man dem Toten jetzt Gutes tun könnte.

Mir fiel es vorgestern auch schwer, dem Witwer die Übernahme der Trauerfeier für seine verstorbenen Frau abzusagen. Doch auch bei mir ist Sabbat, dienstlicher Sabbat. Ein längeres Gespräch am Telefon, ja, das tat gut. Ich kenne die beiden seit langem und hätte spontan beinahe zugesagt. Aber ich habe mich gegenüber Gemeinde und Familie -und auch mir selbst- verpflichtet, keine dienstlichen Aufgaben zu übernehmen. Ein Jahr lang. Was danach geschieht, werden wir sehen.

Vom Sehen

Lukas 23, 32-49

Karfreitag – wann, wenn nicht heute, schaffen wir es, wirklich zu sehen?

Klar, wir sehen so viel, schauen uns alles mögliche an und die Bilderflut hat kein Ende.

Aber einfach zusehen oder hinsehen und wirklich sehen, was da gerade geschieht, ist zweierlei.

Auf Golgatha sieht eine Menschenmenge einem Spektakel zu, erlebnishungrig, sensationsgeil. Doch dann sehen sie hin, die Menschen, und sehen, dass da Menschen leiden und sterben. Sie sehen, dass diese Menschen sich gegenseitig nicht egal sind, so unterschiedlich sie auch sind. Der Gerechte, die Schuldbeladenen, der Hauptmann. Und sie sehen sich selbst, erkennen, wie sie das hier gerade erleben.

Karfreitag 2021 – wo sehe ich zu, wo sehe ich hin, wo sehe ich wirklich, was heute geschieht?

1. April

Lukas 23, 26-31

Die Zukunft hat begonnen! Ich bin dienstfrei, sitze auf der Dachterrasse, hab mir ein e-book runtergeladen: Mark Twain, The diary of Adam and Eve, und nun auch noch die Bibellese wahrgenommen.

Beidemale geht es um Frauen, die Männern hinterher laufen. Adam ist noch etwas irritiert von Eva, die das Wort „wir“ eingeführt hat. Die um Jesus weinenden Frauen sind sicher irritiert von seinen Worten. Klar, diese Worte sollen im Lukasevangelium schon einmal auf die Zerstörung Jerusalems hinweisen, doch ich denke, heute lesen wir diese Zeilen auch mit unserer Sorge um die Zukunft angesichts der Klimakrise. Wie gut, dass Frauen Kinder in diese Welt geboren haben! Die Kinder und Jugendlichen gehen wenigstens für die Zukunft auf die Straße und sehen die Klimakatastrophe als ein weltweites Problem, das uns (wir!) alle angeht. Es ist wirklich schon sehr warm. Ich sitze im Schatten, es ist 11.07h Sommerzeit, die Vögel zwitschern, keine Wolke ist am Himmel zu sehen und ich denke an den Osterrückfahrstau auf der Autobahn wegen Schneefall, den ich als Jugendliche erlebte.

Übrigens: Wir Frauen gehen schon lange voran und nicht hinterher!

Wichtig!

Lukas 22, 24-30

Warum will eigentlich jede*r wichtig sein? Wie wär’s denn mit wertvoll? Das ist doch ein viel schöneres Gefühl: ich bin wertvoll für meine Lieben, für die Gemeinde, für die Gesellschaft, für Gott. Ich bin wertvoll. Ein geliebter Mensch, wertgeachtet. Gibt es etwas besseres? Die Einsicht, dass jeder Mensch wertvoll ist – und wenn sie „Liebe deine*n Nächste*n wie dich selbst“ beherzigen, die Menschheit endlich so würde, wie Gott sie geschaffen hat: gut!

Das ist wichtig!

Wein-Fasten

Lukas 22, 7-23

Dann nahm Jesus den Becher, dankte Gott und sagte:
»Nehmt diesen Becher und teilt den Wein unter euch!
Das sage ich euch:
Ich werde von nun an keinen Wein mehr trinken –
so lange, bis das Reich Gottes kommt.«
Anschließend nahm er das Brot.
Er dankte Gott, brach das Brot in Stücke,
gab es ihnen und sagte:
»Das ist mein Leib, der für euch gegeben wird.
Tut das zur Erinnerung an mich.«
Ebenso nahm Jesus nach dem Essen den Becher
und sagte: »Dieser Becher steht für den neuen Bund,
den Gott mit den Menschen schließt –
durch mein Blut, das für euch vergossen wird.«

Wenn ich das richtig sehe, gibt es hier zwei Kelchworte und dazwischen ein Brotwort. Ist das Wein-Fasten während der Passionszeit, das auch ich momentan beachte, also direkt beim Passahmahl Jesu mit eingesetzt worden? Ja, ich weiß, bei den anderen Evangelisten läuft es anders: erst Brot vor dem Mahl, dann Kelch nach dem Mahl, und Johannes erzählt von der Fußwaschung. Lukas hat wahrscheinlich an den Ablauf des Passahmahls gedacht und den Becher zu Anfang auch ansprechen wollen und damit die zwei Kelchsätze voneinander getrennt. Wie schön, dass man bei der täglichen Bibellese immer wieder über einzelne Worte oder Sätze in gutbekannten Texten stolpert und darüber nachdenken kann.