Diwidi?

Charlotte und ich gehen gerne einkaufen, auf der Suche nach leckerem Brot oder ungesüsstem Joghurt ging schon so manche Stunde drauf, doch es hat sich gelohnt. Mittlerweile wissen wir, wo wir was einkaufen können. Das meiste bekommen wir sogar im Tante Emma Laden um die Ecke und beim Bäcker gegenüber, dem mit den bunt geringelt behosten Backgehilfen. Dort gibt es sogar Croissants, die richtig gut sind, besser als das „Landbrot“. Wenn wir etwas weiter fahren, besser gesagt, uns fahren lassen, -selber fahren wäre hier unmöglich -, können wir sogar frisches deutsches Brot kaufen und auch richtig gutschmeckende Wurst bekommen. Ich bin zwar sehr für ortsnahe Herstellung der Waren, chinesischer Kaffee, Joghurt oder auch chinesisches Bier sind prima, aber die Wurst schmeckt mir einfach nicht. Da esse ich lieber Käse, Butter, Gemüse…

Aber Lebensmittel sind ja nicht alles, was das weibliche Herz begehrt. Shoppen gehen bezieht sich vor allem auf Kleidung – ein weiterer Kleiderschrank wäre dann auch mal dran, wir hatten so viele Wandschränke in Essen, die wir leider nicht mitnehmen konnten. Der „Geheimtip“ der ersten Tage hieß „Silkroad“, was allerdings keine Straße ist, sondern ein siebenstöckiges Gebäude, in dem alle ehemaligen Straßenhändler und die Seidenverkäufer und Schneiderwerkstätten Platz gefunden haben. Nähert man sich diesem Gebäude, so beginnt schon weit vorher der Run auf den Kunden. „Nice socks, boss“ „watch, good price, gucci“ und unendlich oft: „diwidi“. Wir würden in Socken, Armbanduhren und vor allem DVDs ersticken, hätten wir uns von den sehr anhänglichen Verkäufern auch nur ab und an bequatschen lassen.

Wir haben uns aber nicht ablenken lassen und sind zielstrebig in die Silkroad eingebogen. Reisebusladungen von amerikanischen Langnasen stürmten das Gebäude, dem, den Düften , die aus den Klimaanlagen herausdrangen, nach zu urteilen, offensichtlich nichts Menschliches fremd ist. Ein Minishop reiht sich hier an den anderen, ca 5 qm groß, voll mit bestimmter Ware (Lederjacken oder T-Shirts oder Winterjacken oder Unterwäsche oder…) und jeweils von mindestens ein bis zwei VerkäuferInnen angepriesen.

Wehe dir, du zeigst Interesse! Am besten guckst du gar nicht hin, und wenn du doch mal ein Auge drauf werfen willst, solltest du nicht atmen und flotten Schrittes weiter gehen, ansonsten haben sie dich beim Wickel: sie halten dich wirklich fest, das Kleidungsstück deiner Wahl wird anprobiert, auch wenn du gar nicht willst, und dann hörst du einen Markennamen und einen „good price“, der viel zu hoch ist. Er wird sofort auf die Hälfte gesenkt. Aber das ist für gefakte Ware immer noch viel zu hoch und du zeigst dein Desinteresse. Zwei weitere Verkäuferinnen kommen hinzu. Zu viert machen sie den nächsten guten Preis, es geht weiter bergab, sie halten dir den Calculator hin und du sollst deinen Wunschpreis eintippen. Schreib am besten gar nichts, oder 1Yuan. Sie werden empört sein, aber nicht locker lassen, und weiter runter gehen auf ein Zehntel des Ursprungspreises, trotzdem wird es noch zu teuer sein. Außerdem gefällt dir die Jacke ja gar nicht, das Leder riecht auch streng und du denkst an unzulässige Gerbstoffe, aber wie kommst du raus? Eigentlich hast du keine Chance. Sie halten dich zu viert fest, verfolgen dich durch die Gänge, bekommen noch weiteren Verkäuferbeistand und selbst die Rolltreppe ist noch keine Rettung. Völlig fertig hatten wir nach dem ersten Besuch der Silk Road beschlossen: Nie wieder! aber das haben wir natürlich nicht eingehalten. Wir sind mittlerweile bis ins oberste – angenehmere Schmuck- und Seiden- Stockwerk gelangt, haben andere um ihr Leben laufen gesehen und immer noch nichts dort gekauft.

Stattdessen wissen wir jetzt, wo man angenehmer einkaufen kann, ebenfalls sehr günstig, auch zum Handeln, aber ohne angelangt zu werden und in freundlicher chinesischer Kunden- und Verkäuferinnen-Gesellschaft. Leider müssen wir dazu wieder ins Auto steigen. Und dann passiert es immer noch: Nichtsahnend sitzt man auf dem Beifahrersitz, die Ampel zeigt rot und Driver Ma bleibt tatsächlich stehen, weil er geradeaus rüber muss, da klopft es an die Fensterscheibe und ein junger Mann hält einem etwas hin und ruft „diwidi“ !