Keine Meisterleistung

Lukas 4, 22-30

Alle spendeten ihm Beifall. Sie staunten über die Botschaft von der Gnade, die er verkündete. Doch dann sagten sie: »Ist das nicht der Sohn Josefs?« Jesus antwortete ihnen: »Sicher werdet ihr mir jetzt das Sprichwort vorhalten: ›Arzt, hilf dir selbst! Wir haben von den großen Taten gehört, die du in Kafarnaum vollbracht hast. Vollbringe solche Wunder auch hier in deiner Heimatstadt!‹« Weiter sagte er: »Amen, das sage ich euch: Kein Prophet wird in seiner Heimatstadt anerkannt! Ich sage euch, wie es ist: Zur Zeit Elijas gab es viele Witwen in Israel – damals, als es drei Jahre und sechs Monate nicht regnete. Große Hungersnot herrschte im ganzen Land. Trotzdem wurde Elija zu keiner von ihnen geschickt, sondern nur zu einer Witwe in Sarepta im Gebiet von Sidon. Und zur Zeit des Propheten Elischa gab es viele Aussätzige in Israel. Aber Elischa hat keinen von ihnen geheilt, sondern nur den Syrer Naaman.« Alle in der Synagoge gerieten in Wut, als sie das hörten. Sie sprangen auf und trieben Jesus aus Nazaret hinaus – bis an den Rand des Berges, auf dem ihre Stadt gebaut war. Dort wollten sie ihn hinunterstürzen. Aber Jesus ging mitten durch die Menge hindurch und zog weiter.

Anmerkungen

Zunächst sind alle begeistert, tolle Auslegung! Gnade. Jetzt. Das sind doch mal gute Nachrichten.Doch dann schauen sie sich den Überbringer genauer an. Den kennen sie doch, Josefs Sohn, einer von uns. 

Und jetzt wird’s komisch. Verstehen Sie, was das Sprichwort an dieser Stelle soll? Ich verstehe es nicht.

Auch habe ich bislang noch nichts von irgendwelchen großen Taten Jesu in Kapernaum/ Kafarnaum gelesen.

An dieser Stelle wird mehr als deutlich, dass Lukas die Berichte über Jesu Wirken aus dem Markus- und Matthäusevangelium übernommen hat und neu sortierte, sodass er nun in diesem Satz auf Ereignisse verweist, die in seinem Evangelium erst danach berichtet werden, in den anderen beiden aber vor dem Ereignis in Nazareth stehen. So erzählt Markus erst zu Anfang des 6. Kapitels darüber, Matthäus sogar erst am Ende des 13. Kapitels. Da sind bereits zahlreiche Wunder und Heilungen geschehen.

Dass der Prophet in der Heimatstadt nicht anerkannt wird, das ist für mich, in einer Kleinstadt geboren und erwachsen geworden, nachvollziehbar. Hier wächst man nicht anonym auf, sondern ist mit all dem familiären Hintergrund bei vielen Menschen bekannt.

Damals hieß das im Fall Jesus aus Nazareth: der Sohn des Zimmermanns – ein Zimmermann, kein Arzt, kein Prophet. Deshalb würde doch „Schuster bleib bei deinen Leisten“ eher passen als „Arzt hilf dir selbst!“

Lukas begründet mit Jesu Worten über Elija und Elischa die Wut der Nazarether Zuhörer. Sie wollen ihm nicht nur nicht glauben, wie es die beiden anderen Evangelisten schildern, sondern ihn sogar töten. Jesus aber kann einfach weg- und weitergehen. In diesem friedlichen Abgang hilft er sich selbst.

Ich würde sagen, dieser Abschnit ist nicht gerade eine Meisterleistung des Evangelisten Lukas. (von dem manche meinen, er sei selber Arzt gewesen.)

Apropos „Meisterleistung“: meine Anmerkungen sind nur Anregung zum eigenen Nach- und Weiterdenken, es sind Gedanken während des Lesens.