Offensichtlich hab ich mich jetzt völlig auf den langen Urlaub in China eingestellt. Ich schreibe nicht einmal mehr regelmäßig in diesen Blog. Dabei hatte ich mir zu Sylvester in Deutschland vorgenommen, im neuen Jahr sogar häufiger zu schreiben. Nun, in China laufen die Uhren bekanntlich anders, erst recht der Kalender und so ist heute wieder Sylvester. Eine prima Gelegenheit, den Vorsatz in die Tat umzusetzen. Vor allem auch deshalb, weil die Einzige, die mir noch regelmäßig aus der Gemeinde schreibt, mich heute an den Blog erinnerte.
Ja, die Gemeinde ist weit weg und China kommt immer näher. Seit einiger Zeit engagiere ich mich deutlich mehr in der deutschen Patengruppe, bei den chinesischen Projekten, die wir betreuen, heißen wir deguo mama, „deutsche Mütter“. Seit November bin ich damit eigentlich im Dauereinsatz. Das von mir betreute Projekt kommt dabei fast zu kurz. Es ist eine Schule für Eltern autistischer Kinder, in der Eltern und Kinder geschult werden, vor allem, damit die Eltern lernen, wie sie ihre Kinder fördern können. Da ich auch die Koordination der Projekte übernommen habe, muss ich zur Zeit alle Projekte ordentlich kennen lernen.
So hatten wir im November den Weihnachtsmarkt in der Deutschen Botschaft, auf dem sich auch die Projekte vorstellten. Immerhin fließt der Gewinn an sie. Im Dezember trafen wir uns mit den Projektleitern und übergaben ihnen unsere Spenden, insgesamt fast 50.000 Euro, ein wenig ist noch für zwischenzeitliche Unterstützung zurückgelegt.
Im Januar besuchten wir das Projekt Huiling, quasi eine beschützende Werkstatt, in der geistig behinderte Menschen zwischen 15 – 61 Jahren tagsüber basteln, malen, kochen, Theaterspielen, singen und musizieren, Ausflüge machen und hauswirtschaftliche Betätigungen erlernen. Es gibt in Peking mehrere dieser Häuser. Und sie haben verschiedene Unterstützer, da sie vom Staat kein Geld bekommen, sondern im Gegenteil auch noch Steuern auf ihre Einnahmen zahlen müssen. So trafen wir Beauftragte von Misereor, die ein Computer gestütztes Lernprogramm für Eltern und Behinderte vorstellten, was von Misereor gesponsort wird. Auch die Kontakte zu anderen Sponsoren sind wichtig, da die Notwendigkeit von finanzieller Unterstützung bei den Projekten sehr unterschiedlich ist. Hier einen Durchblick zu bekommen erfordert von mir zur Zeit viel Aktenarbeit.
Vor einigen Tagen besuchten wir Sun Village. Eine ehemalige Polizistin hat mit diesen „Sonnendörfern“ – es gibt mehrere in China – etwas ganz notwendiges geschaffen: Kinderheime für Kinder Strafgefangener. Sie kommen oft aus sehr schwierigen Verhältnis, oftmals hat ein Elternteil den anderen umgebracht. Hier finden sie ein neues Zuhause, haben Schulunterricht, lernen Landwirtschaft, werden musisch gefördert. Und sie haben regelmäßigen, meist telefonischen Kontakt zu Vater oder Mutter. Das konnten wir gerade miterleben, es war herzzerreißend, wie ein kleiner Junge zitternd am Telefon mit seiner Mutter sprach. Ein anderer Zweijähriger stand weinend im Babyzimmer mit einer Betreuerin, die ihn genauso wenig verstand wie wir, da er eine uigurische Mutter hat und kein chinesisch spricht. Sie sollte aber wieder aus der Untersuchungshaft entlassen werden und alle warteten auf ihre Ankunft, nur der Sohn begriff es nicht. Das jüngste Kind im Babyzimmer ist vier Monate alt. Die ältesten Kinder in Sun Village sind 17 Jahre alt und übernehmen auch Betreuungsdienste bei den Jüngeren. Allen brachten wir „Hongbaos“ zum Chinesischen Neujahrsfest. Das sind roten Taschen mit Geschenken gefüllt. Jeder der 100 Hong (rot) bao (Taschen) enthielt: Trinkbecher und Schale, Süßigkeiten, getrocknetes Fleisch und Obst, Stofftiger zum neuen Jahr des Tigers, Zahnbürste. Das gemeinsame Füllen am Vortag hatte bereits Spaß gemacht, noch mehr freuten wir uns, als die Kinder zum Dank ein Lied mit Zeichen der Gebärdensprache sangen (es gibt auch gehörlose Kinder in der Einrichtung).
Für mich war es auch besonders schön, bei diesem Projekt zusammen mit einer weiteren der wenigen deutschen Bayer Expat-Frauen tätig sein zu können.
Aber jetzt ist tatsächlich erstmal Urlaub angesagt, denn alle Chinesen machen Urlaub zum Neujahrs-Frühlingsfest, das eine Mischung aus unseren Weihnachten- und Sylvesterfeiern ist.