Was machst du nur die ganze Zeit in Peking? Nun, es gibt viel zu tun. Zur Zeit bin ich schwer beschäftigt mit Weihnachtsvorbereitungen. Nein, nein, keine Predigten schreiben oder Krippenspiele konzipieren. Wir bereiten den Weihnachtsmarkt auf dem Botschaftsgelände vor. Da gibt es viel zu tun. Weihnachtsschmuck basteln, alles zurechtmachen, damit kurzfristig frische Adventskränze gebunden werden können – die nadeln hier leider viel schneller als in Deutschland – und Freiwillige müssen gefunden werden, die an diesem Tag Standdienste übernehmen, als Nikolaus Geschenkchen verteilen, oder am Vortag beim Aufbau helfen. Immer mittwoch morgens treffen wir uns zur ehrenamtlichen Arbeit, aber auch zum Kaffee trinken und zum Informationsaustausch. Und der ist nicht unwichtig.
Meistens geht das so: „Du hast schon wieder eine neue Brille! Schick!“ – „Ja, ich hab da einen Optiker entdeckt, der macht das alles perfekt zu einem Super-Preis.“ – „Aber, die Qualität?“ – „Ich habs überprüft. Er hat beim Vermessen die gleichen Werte wie der Augenarzt rausbekommen. Und die Gleitsichtgläser funktionieren optimal. Nach einem Tag hatte ich meine Brille. Und die gebogene Sonnenbrille mit Gläsern meiner Stärke und verlaufender Tönung war einen Tag später auch fertig.“
Und schon fragen alle drumherum: „was – wo – wieviel?“ und es wird ein Termin ausgemacht, um gemeinsam dieses Wundergeschäft zu betreten, damit man von den ausgehandelten Superkonditionen der Kollegin profitieren kann.
So fuhr ich gestern mit zwei Bekannten zu einem großen Gebäude weit außerhalb, wo es Kaschmirstoffe und -Wollen in bester Qualität zu Spitzenpreisen gibt. Beladen mit Mantel- und Anzugstoffen, Futterseiden und Knöpfen zogen wir nach 90 min wieder zufrieden ab. Für Strickwolle hatte ich keine Hand mehr frei. Mein Portemonnaie hätte allerdings noch mitgemacht – es waren wirklich gute Preise. Und am Abend ging es samt Ehemann zum empfohlenen Schneider, damit er für den Deutschen Ball noch pünktlich einen schwarzen Anzug bekommt.
Diese Adressen weiter zu geben darf man nicht vergessen, denn diese Häuser zu finden ist wirklich schwer. So sammeln wir mingpians – Visitenkarten – ein und machen neue Termine mit anderen Bekannten aus.
Manche Adresse ist allerdings mit Vorsicht zu genießen. So gibt es eine Taschenhandlung, die wohl sehr gute Taschen, sehr teure Marken, zu sehr günstigen Preisen verkauft. Wer an einer bestimmten, völlig unscheinbaren Tür klopft, wird zunächst kritisch beäugt, die Umgebung wird ebenfalls misstrauisch beobachtet, erst dann darf man eintreten. Ihr Mann habe sie, nachdem sie ihm angesichts der neuen Tasche davon berichtete, gebeten, diesen Laden nicht mehr zu betreten, erzählt eine Mitstreiterin. Bei einer Polizeirazzia zufällig dort anwesend zu sein und aufs Revier mitgenommen zu werden würde für den Gatten – seines Zeichens Wirtschaftsprüfer – das berufliche Desaster bedeuten. Aber sie meinte, die Warnung sei überflüssig gewesen. Ihr habe das Herz schon so zu heftig geklopft.
Aber wo sie sie findet, die perfekte Lederschneiderin, den besten Obst- und Gemüsemarkt, die Handlung für chinesische Möbel, die günstige Bezugsquelle für europäischen Wein, erfährt frau nur auf diesem Wege.
Wo man derzeit am besten essen gehen kann, wird mir heute abend mal wieder gezeigt werden. Einmal die Woche trifft sich der deutsche Chor und probt das Bach’sche Weihnachtsoratorium. Anschließend gehen wir essen. Was – wo – wieviel?