Zur Zeit nur mit Schirm aus dem Haus

Über mir braust es. Ich hab die Klimaanlage eingeschaltet, weil es einfach nicht mehr anders auszuhalten ist. Draußen ist es über dreißig Grad warm, sehr schwül und hier drinnen war es zumindest nicht viel kühler. Ich halte das auch für gesünder als diese völlig runtergekühlten Bürogebäude, in denen es jetzt kälter ist als es im Winter in ihnen war. Wirklich eine verkehrte Welt! Womit wir das bezahlen, hab ich heute mittag auch gemerkt, als ich nach dem Chinesisch-Unterricht das Haus verließ: es stank, als hätte die Formel eins sich direkt von Monaco nach CentralPark Beijing aufgemacht. Abgasgeruch pur! In den letzten Tagen hatten wir mehrfach dicken Smog, sodass wir gerade zwei Hochhäuser weiter gucken konnten. Dann gab es meistens heftigen Wind mit viel Staub und Sand, damit sich das Putzen lohnt – zurzeit fast täglich mehr als notwendig – und danach folgte ein Tag, an dem zahlreiche Chinesinnen ihren Schirm aufspannten.

Nein – es regnete nicht. Schirme braucht man, bzw. frau, hier als Schutz gegen die Sonne, denn nichts ist schlimmer als braun werden. Die Whitening Cremes sagen ja alles. Immer schön bleichen, möglichst helle Haut zur Schau stellen, damit zeigt jede an, dass sie es nicht nötig hat, draußen zu arbeiten. Und ich? Also, den Schirm vermeide ich ja sogar bei Regen, ein Sommerhut oder ähnliches ist bei meinem Kopfumfang schwer zu kriegen, also setze ich meine Hoffnung auf Schatten und Sonnencreme mit höchsten Lichtschutzfaktoren.

Nur eine bestimmte Stelle hatte ich neulich übersehen. Es war ein wunderbarer Sommertag, klare Luft, blauer Himmel und ich war zu Kaffee und Kuchen in einem traditionellen Courtyard Haus im Hutong jenseits der verbotenen Stadt eingeladen. Also setzte ich mich aufs Rad, gut behelmt und fuhr so rechtzeitig los, dass ich noch eine schöne Mittagspause am Houhai-See einlegen konnte. Aber mein rechtes Pedal fühlte sich sehr eierig an – ich hatte keine Ahnung, was los war, bis mein Fuss auf einmal in der Luft hing – das Pedal war abgefallen. Gott sei Dank – es geschah kurz vor einer belebten Kreuzung, rechts führte die Straße zum Bell-Tower und ich wusste, da gibt es Fahrradreparateure. Schnell hatte ich einen ausgemacht. Er besah sich Pedal und Rad und erklärte mir, was ich auch schon bemerkt hatte, dass nämlich alles völlig desolat sei und eine neue Halterung fürs Pedal her müsste. Aber auch das Fahrradgeschäft war in der Nähe und so besorgte er alles: zwei neue Pedale und die Halterung, die auf der Seite natürlich noch mit dem dreifachen Kettenkranz direkt verbunden ist. Nun habe ich all das neu am Rad in chinesischer Qualität – von wegen Shimano – und die Gangschaltung funktioniert noch nicht einwandfrei. Aber immerhin, ich konnte die Tour fortsetzen nach einer halben Stunde Arbeit und einer Bezahlung von umgerechnet 13 Euro. Pünktlich kam ich zum Apfelkuchen, es war ein schöner Nachmittag und abends fuhr ich eine halbe Stunde flott durch den Berufsverkehr ohne Probleme zurück. Nur mein Göttergatte fand heraus, dass ich wohl nicht ständig behelmt gefahren war. Bei der Reparatur hatte ich den Helm in der Fahrradtasche verstaut und anschließend dort belassen. Ich hatte mir einen Sonnenbrand geholt. Nicht auf der Nase, auch nicht an Händen oder Füßen, nein, auf dem Kopf, da wo die Frisur einen Scheitel besitzt.

Ich denke, ich halt mal Ausschau nach einer Schirmmütze.