Der Lärm asiatischer Städte…

… sei enorm, hörte ich neulich im Radio. Das ist bestimmt so, auch wenn man’s manchmal gar nicht mehr merkt. „Könnt ihr mal eure Stimmen wieder runterfahren?“ rief Charlotte uns zu, während wir versuchten, die Straße zu überqueren. Heftig diskutierend waren wir an einer Abrissbaustelle vorbeigelaufen, auf der mehrere Abrissbagger gleichzeitig auf eine große Bauruine einhämmerten. Die Wände der Hochhäuser drumherum hatten den Schall zudem noch gut zurückgeworfen. Und nun wurde auf der völlig überfüllten Straße wieder gehupt, um irgendwie an dieser Kreuzung, wo nichts mehr ging, durchzukommen. Wie gut, dass wir ins Botschaftsviertel abbogen, die Straßen wurden schmaler, der Verkehr ruhiger. Auf einmal hör ich eine Stimme hinter mir. Laut, sehr laut, brüllt da einer. Nein, keiner der chinesischen Wachsoldaten, die aufpassen, dass keine armen Nordkoreaner irgendeine westliche Botschaft stürmen, gibt Befehle aus. Ein Chinese telefoniert offensichtlich mit Zuhause oder seinem besten Freund. Wer so laut schreit, hat nur die Allerliebsten am Apparat, oder aber: es ist ein Ferngespräch. Da muss man doch schreien – wenn es so weit schallen muss! Ich verstehe ja kaum was, aber alle anderen Chinesen bekommen bestimmt genau mit, was ihm auf dem Herzen liegt.

Wieder zu Hause angekommen, höre ich „White Christmas“ von unten heraufklingen, gleich gefolgt von „Jingle bells“. Ich dachte, es ist Ende April, nicht Dezember. Also guck ich mal raus. Aha, da versammeln sich mal wieder alle Arbeiter der Baustellen von gegenüber. Die wissen bei diesen Tönen offensichtlich ganz genau, dass sie zum Appell anzutreten haben. An die hundert Männer der Tagschicht mit ihren gelben Helmen stehen bestimmt da. Die Baustellenmannschaften arbeiten rund um die Uhr, sieben Tage lang. In der Nacht zeichnen sie sich durch besondere Lautstärke aus, denn dann – und nur dann – dürfen die großen LKWs in die Innenstadt. Und das heißt: in der Nacht wird abgeladen und aufgeladen, was das Zeug hält. Neulich nachts haben sie Bauzäune aus Blech verladen, stundenlang, ich hab’s genau mitbekommen. Und heute Nacht meinte unter anderem einer, er müsste seine ganz besonders laute und mehrtönige Hupe vorführen, auch das war nicht zu überhören.

Vor einigen Tagen drangen auf einmal ganz neue Töne zu uns rauf. Klaus und ich guckten gen Himmel raus, denn es klang, als wollte ein Hubschrauber landen oder auch zwei oder drei…. Doch in der Luft war nichts zu sehen. Stattdessen liefen enorm viele orangebejackte Männer auf den Rasenflächen des Parks vor unseren Häusern herum – es war schon dunkel, aber wir hatten die Erklärung: die mähen den Rasen. Ein bisschen spät – bei schlechter Sicht – sehr laut. Nun ja, um halb zehn stellten sie die Arbeit ein. Am nächsten Morgen fiel ich fast aus dem Bett. Die Helikopter waren wieder da – 5.30 Uhr! Etwas später wurde auch ich laut – im Büro des Managements.

Nachmittags um 2 hörte ich dann auf einmal Krach auf dem Flur. Viele Stimmen durcheinander. Dann erscholl auch unsere Klingel: Einmal drücken – viermal Sturmgeklingel. Ich lugte vorsichtig raus. Uniformen waren zu sehen. Ach ja, die Polizei. Die war vor einer Woche schon mal da, abends um 9. Sie kontrolliert, ob wir unsere Wohnregistraturscheine noch haben, die sie selbst ausgestellt haben. Wir haben sie. Jetzt hab ich den Ordner auch direkt im Griff und stell ihn nicht weit weg, wer weiß, wann sie wieder kommen – aller guten Dinge sind ja bekanntlich drei. Der Nachbar hatte sich offensichtlich über den doppelten Besuch etwas lautstärker aufgeregt. Ich bleibe ruhig.

Abends um sieben ist irgendwo hier in der Nähe immer Appell. Gesehen habe ich diese Massen noch nie, aber laute Parolen können sie gemeinsam skandieren, als probten sie für die Großdemonstration, vielleicht sind sie ja am 1. Mai damit bei der großen Parade aufgetreten. Wir haben nichts gesehen davon, denn wir waren endlich auf der Großen Mauer. Da war es ruhiger, nur die T-Shirtverkäufer priesen lautstark ihre Ware mit dem Aufdruck: „I climbed the Great Wall“ an. Two shirts one dollar – standen sie mitten vor einem, sodass man nicht weiter kam. Und als wir uns tatsächlich interessiert zeigten, holten sie schnell die „better quality“ heraus und wollten 60 Yuan für ein T-Shirt. Als wir uns dankend den Weg freimachten, wurden sie noch lauter, ach ja, ich fühlte mich schon wieder wie in Peking im Silkmarket. Am Abend, zurück vom kombinierten Himmeltags- und 1.Mai Ausflug, setzten wir uns für die letzte Wegstrecke in ein Taxi. Der Fahrer hörte Radio. Lustige Geschichten waren dran, in voller Lautstärke, draußen hupte es von allen Seiten und der Feiertagsabendverkehr war auf seinem Höhepunkt. Wir waren wieder „daheim“ – alles ganz normal.