Luxus und Dekadenz

Der letzte Betriebsausflug mit den MitarbeiterInnen aus Essen hatte Haltern am See zum Ziel und eine Ausstellung im dortigen Römermuseum mit dem Titel „Luxus und Dekadenz“. Dass ich so schnell den heutigen Luxus und die dazugehörige Dekadenz im kommunistischen China erleben würde, hätte ich nicht gedacht.

Manches ist hier wirklich einfach nur noch dekadent. In dem Stadtgebiet Pekings, in dem wir wohnen, werden derzeit spektakuläre Hochhäuser gebaut und unzählige Bauarbeiter, wahrscheinlich auch sehr viele Wanderarbeiter, sind damit Tag und Nacht beschäftigt. Sie wohnen in Zelten oder Containern am Rande der Baustellen. Man sieht ihnen an, dass sie es nicht leicht haben in ihrem Leben. Mager, schmutzig, müde sehen sie aus.

In den bereits fertiggestellten Hochhäusern daneben aber herrscht der reinste Luxus. In den „China World“-Hochhäusern, die mit dem höchsten Haus Pekings gerade den dritten Komplex dazugestellt bekommen, kann man an Shops von Lagerfeld, Prada, Gucci, Dior, Chanel, Cartier etcpp vorbeiwandeln und sich fragen, wer das Zeug kaufen soll. Anscheinend gibt es aber Kundschaft, wenn ich auch keine gesehen habe.

Zu Sylvester war Klaus zu einem Abschiedsessen eingeladen – im „Goldenen Jaguar“, einem Büffet-Restaurant riesigen Ausmasses im obersten Stockwerk von „The Place“, dem Komplex mit der Riesendachleinwand. Hier kann man essen, was und so viel das Herz begehrt: chinesisch, japanisch, indisch, koreanisch, … und auch europäisch. Da liegen die Austern neben den Sushispezialitäten und warten darauf, ausgewählt zu werden. Sicherlich hundert Köche und Bedienpersonal erfüllen der Kundschaft alle Wünsche. Während draußen die Arbeiter den Henkelmann mit Reis gefüllt bekommen und so mancher Bettler um einen Kuai (= 10 Cent) bittet, häuft man sich hier zehn Austern, rohen Thunfisch in Mengen und mir völlig unbekannte Spezialitäten auf den großen Teller.

Ich frage mich immer wieder: wie schafft es eine Gesellschaft nur, diese Extreme auszuhalten und friedlich miteinander zu leben.

Aber bei unseren Besichtigungstouren sehen wir natürlich auch den Luxus der Kaiserzeit und auch damals gab es Arme („Arme werdet ihr immer bei euch haben“). Wir bestaunen die Relikte der Vergangenheit und wissen um den Lauf der Geschichte.

Wo führt der Luxus hin, den auch wir manchmal mitgenießen?

Eigentlich aber genießen wir vielmehr die heißen – leider manchmal auch schon lausig kalten – gerösteten Kastanien und das aufgespießte und kandierte Obst der Straßenverkäufer. Und die kleinen Shops in der sogenannten „Ladies-Street“, in denen die Verkäuferinnen keine Langeweile haben, weil sie mit den Kunden um die Preise feilschen und schnell mal etwas ausbessern, wenn ein Knopf abfällt oder so, sind uns tausendmal lieber als Armani und Co.