Trauern hat seine Zeit

Das Telefon klingelt – ein ganz bestimmtes Bestattungsinstitut ist dran. Als erstes höre ich drei theatralische Entschuldigungen, mir schwant, was jetzt kommt.
Frau — ist gestorben und soll am Freitag beigesetzt werden zu der und der Zeit. Ich frage nach, wann sie denn gestorben sei. Vor 12 Tagen! Ich kenne nur einen Bestatter, der mich nicht umgehend von einem Sterbefall informiert, damit wir den Termin für Trauerfeier und Beerdigung gemeinsam! absprechen. Ich habe mich bereits einmal sehr offiziell darüber beschwert. Denn die Angehörigen haben ein Recht auf zeitnahe Seelsorge und verlassen sich auf den Bestatter, dass er mich informiert. In den nächsten drei Tagen habe ich schon zwei Beerdigungen, zwei Taufgespräche und weitere Termine, wann soll ich die Trauer-familie besuchen, wann die Traueransprache schreiben? Was nun? Eine Kollegin ist seit heute aus dem Urlaub zurück. Da müsste doch noch Platz im Terminkalender sein.
Zehn Minuten später – der nächste Bestatter, die nächste Beerdigung. Diesmal soll ich beerdigen in Vertretung für einen Kollegen. Die Beerdigung soll in zweieinhalb Wochen stattfinden, der Kollege kommt in einer Woche aus dem Urlaub zurück. Doch bis dahin soll die Trauerfamilie nicht warten, weder mit dem Trauergespräch noch mit den Karten. Aber am vorgesehenen Beisetzungstag bin ich nicht in Essen – was nun? Eine Kollegin ist seit …
Urlaubsvertretungen bei Beerdigungen führen schon zu merkwürdigen Gesprächen: Im Nachbarstadtteil ist jemand verstorben und soll unbedingt vom Ortspfarrer beigesetzt werden. Der ist bis einschließlich Donnerstag im Urlaub. Nun, dann kann er ja am Freitag beerdigen, meint der nächste Bestatter, der mich nach der vierten Beerdigung in einer Woche auf dem Friedhof anspricht. Ich widerspreche: Wann soll der Pfarrer ein Trauer-gespräch führen, wann die Ansprache schreiben, wann erfährt er überhaupt, dass er zu beerdigen hat? Denn er ist nicht erreichbar. Gut, er habe verstanden. Dann eben am Montag, meint der Bestatter. Ich widerspreche erneut: Der Zeitraum ist immer noch zu knapp. Nach Rücksprache mit der Trauerfamilie, die ja auf jeden Fall schon vier Wochen mit der Urnenbeisetzung zu warten bereit ist, wird es der Mittwoch. Gut, das halte auch ich für möglich. Zwei Tage später erneuter Anruf bei mir: Die e-mail mit den Informationen zum Sterbefall für den Kollegen ist zurückgekommen. Ob sie mir alles zusenden können. Ich frage, wozu das dienen soll. Naja, wenn der Kollege dann doch verhindert sei, könnte ich …., weiter kommt die Angestellte nicht mehr, denn mir platzt bald der Kragen: ich bin seit Tagen gerne bereit, diese Beerdigung zu übernehmen und mit der Familie Kontakt aufzu-nehmen – aber nicht zwei Tage vor der Beerdigung.
„Ich hab da mal eine Frage,“ meldet sich das nächste Bestattungsinstitut. „Ich bin auf der Suche nach einem Pfarrer, einer Pfarrerin, die am Samstag beerdigt.“ Offensichtlich sucht man irgendeinen. Doch die meisten Kollegen, auch ich, meinen, die Woche hat genug Tage, an denen beerdigt werden kann. Nur weil die Stadt gemerkt hat, dass sie sich den Samstag besonders teuer bezahlen lassen kann, lassen wir uns nicht unseren einzigen, manchmal wirklich freien Ruhetag nehmen. Und wenn es in der eigenen Gemeinde eine besondere Situation gibt, sodass nur der Samstag in Frage kommt, dann wird die Ausnahme schon möglich gemacht.