Kann sich irgendwer in Deutschland vorstellen, was es für uns hier heißt, mit der deutschen Nationalelf mitfiebern zu wollen? Heute z. B. sind die meisten Deutschen sehr früh zu Bett gegangen, denn das Spiel gegen Spanien beginnt um 2.30 Uhr in der Nacht. Und ihr glaubt es nicht. Vor zwei Tagen erhielten wir eine Einladung in die Deutsche Botschaft, mit dem Hinweis, Einlass zu der Veranstaltung sei von 2.oo Uhr bis 2.3oUhr. Aber wir verzichten diesmal auf botschaftliches Freibier und bleiben daheim. Da kann man direkt wieder ins Bett fallen und muss nicht noch nach Hause wanken. Denn wo bekommen zweihundert Fußballfans um 4.30 Uhr je ein Taxi her?
Am Samstag haben wir zum ersten Mal am Public Viewing teilgenommen. Angeblich gab es am Osttor des Arbeiterstadions – nicht weit von uns – Bierzeltgarnituren und Großleinwand. Leider fdand dort am Samstag auch ein Konzert im Stadion statt, sodass das PV ausfiel. Mit unseren Freunden schalteten wir schnell um auf die Leinwand am großen neuen Adidasshop und tatsächlich kamen wir noch rein.
Zwischen lauter Chinesen, die meisten hielten immer zur gerade stürmenden Mannschaft, denn man will ja zu den Siegern gehören, saßen wir und sahen ein rasantes Spiel mit chinesischen Kommentaren – auch nicht schlimmer als Delling und Netzer! Wir waren nur eine kleine deutsche Schar dort. Doch anschließend auf der Dachterrasse der Nali Bar schienen die Deutschen unter sich zu sein. Ich denke, deutlich mehr als hundert Deutsche feierten mit Gesängen, Rufen, Tänzen und viel Bier den Sieg über die argentinische Mannschaft. Den Anpfiff des spanischen Spiels sahen wir noch dort, aber dann sind wir heimgefahren.
Heute feiern wir nicht, egal ob Sieg oder Niederlage, denn morgen ist wenige Stunden später wieder Arbeitstag. Die Putzfrau kommt drei Stunden später, die Chinesisch-Lehrerin statt morgen früh erst am Freitag.
Und eine Freundin hat ihren Flug nach Deutschland um einen Tag vorgebucht. Jetzt kommt sie passend zum Endspiel daheim an. Ach, wir haben dann noch mal solch eine verkorkste Nacht, falls der Oktopus irrt.